26.02.2021 | Aktualisiert am: 14.07.2021

Die neue wissenschaftliche Begleitforschung der Forschungsinitiative Energiewendebauen hat ihre Arbeit aufgenommen. Koordinatorin Berit Müller von der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie beschreibt die Herausforderungen dieser neuen Aufgabe.

Interview

energiewendebauen.de: Was macht eigentlich eine wissenschaftliche Begleitforschung?

Die Begleitforschung führt die unterschiedlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse aus den verschiedenen Projekten zusammen. Sie ermöglicht den Wissenstransfer zwischen den Forschenden und in die Praxis hinein. Und sie kann Nachrichten aus der Forschung in den größeren gesellschaftlichen Zusammenhang bringen. Im Prinzip soll das Ganze nachher mehr als seine Einzelteile sein. In der Forschungsinitiative Energiewendebauen (EWB) gibt es zwischen 200 und 300 Verbundvorhaben und in jedem dieser Projekte arbeiten mehrere Partnerorganisationen. In jeder dieser Institutionen gibt es wiederum mehrere Personen. Die Themen, die hier behandelt werden, liegen alle im Bereich EWB. Das heißt, eigentlich gibt es ein riesiges Austauschpotenzial, mit dem sich die Forschungsprojekte gegenseitig befruchten könnten. Da dies nicht die Aufgabe der Projekte ist, setzt hier die wissenschaftliche Begleitforschung an.

energiewendebauen.de: Wie profitieren die Forschungsprojekte davon?

Wenn man sich in die Situation des einzelnen Forschungsprojektes versetzt, wird klar, dass die Beteiligten gar keine Zeit und Kapazitäten haben, sich einen Überblick zu verschaffen. Es gibt aber relevantes Know-how in vielen weiteren Vorhaben. Die Begleitforschung schafft jetzt die Möglichkeit, auf dieses Wissen zuzugreifen. Es ist in jedem Fall hilfreich, sich mit anderen Projekten oder mit anderen Personen, die an der gleichen Sache forschen, auszutauschen. Unsere Aufgabe ist es, hier mehr Transfer hinzubekommen und die Forschungsprojekte auf den gleichen Stand zu bringen.

energiewendebauen.de: Wie gehen Sie konkret vor?

Wir erstellen Tools und Leitfäden. Es gibt Veranstaltungen und Informationspools. Wir versuchen, den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Infrastruktur zur Verfügung zu stellen, sodass sie die Chance haben, ihre Ergebnisse in die Breite zu tragen. Hier spielt auch das Forschungsnetzwerk Energiewendebauen eine wichtige Rolle. Es bietet eine Plattform, auf der sich Expertinnen und Experten mit Gleichgesinnten austauschen können.

energiewendebauen.de: Eine „Wissenschaftliche Begleitforschung Energiewendebauen“ gibt es ja schon länger. Allerdings sind Sie im Oktober 2020 mit einem neuen Team gestartet. Was machen sie anders?

Die wissenschaftliche Begleitforschung besteht jetzt aus fünf Modulen. Diese behandeln jeweils unterschiedliche Themen: Monitoring und Datenbanken, Gebäude, Quartiere, Digitalisierung sowie Vernetzung und Wissenstransfer. Diese Neuaufstellung macht die Arbeit innerhalb der Begleitforschung zunächst komplizierter, weil es eine Vielzahl von Institutionen gibt, die dort eingebunden sind. Es müssen Absprachen getroffen und Kooperationen geklärt werden. Andererseits gibt es inhaltlich eine dezidiertere und fachlichere Betreuung und die Vielzahl der unterschiedlichen Forschungsprojekte in der Forschungsinitiative EWB können so auch besser von der Begleitforschung abgedeckt werden. Für die Themen aus den Projekten gibt es konkrete Ansprechpartner. Die Inhalte werden im Austausch, auf Veranstaltungen und auch in gemeinsamen Veröffentlichungen zur Verfügung gestellt.

„Wir sehen uns auch als Dienstleister für die Forschungsprojekte“

Neu ist auch, dass die Begleitforschung sich ein bisschen als Dienstleister für die Forschungsprojekte sieht. Wir machen Angebote zur Kommunikation, zur Vermittlung ihrer wissenschaftlichen Erkenntnisse in die Politik und in die Fachöffentlichkeit. Zusätzlich zu Querauswertungen, die es vorher auch gab, wird Wert darauf gelegt, dass auf jeden Fall auch Kurzstudien und Policy Papers entstehen. Auf diese Weise wird die Zielgruppe nochmal erweitert. Die bisherigen Querauswertungen waren sehr wissenschaftlich gefasst. Praxisakteure, Innungen oder Verbände lesen sich solche Formate eher nicht durch. Auch in der Politik kann man davon ausgehen, dass keine kompletten Querauswertungen gelesen werden. Hier sind Zusammenfassungen, Policy Papers nötig. Hiermit versuchen wir, die neuen Zielgruppen besser zu erreichen.

„Wir möchten mit den Handwerkskammern ins Gespräch kommen“

Der „Technology Readiness Level“ spielt eine wichtige Rolle in den Projekten. Dieser beschreibt, wie dicht Produkte oder Verfahren schon an der Markteinführung sind. Unter Umständen können diese schon in der Praxis eingesetzt werden. Darum versuchen wir zum Beispiel, mit den verschiedenen Handwerksinnungen und -kammern ins Gespräch zu kommen und diese in die Diskussion einzubinden und mit Projekten zusammenzubringen, die auf dem „Technology Readiness Level“ schon relativ weit sind. In manchen Forschungsprojekten sind die relevanten Praxisvertreter bereits beteiligt. Das sind teilweise Kommunen, Installationsbetriebe oder herstellende Unternehmen.

energiewendebauen.de: Sie sind ja nun seit vier Monaten mit dem neuen Team tätig. Wie würden Sie mit drei Adjektiven diese Zeit beschreiben?

Das erste Adjektiv ist „neu“. Wir schaffen uns einen Überblick über die Forschungslandschaft, das ist für uns auch viel Neuland. Außerdem ist unsere Tätigkeit „grundlegend“. Wir schaffen Grundlagen für die Kommunikation und den Austausch. Und das Dritte ist „wegweisend“. Wir stimmen uns mit den vielen Partnern über die Zielrichtung ab und werden den Weg daran ausrichten.

Das Interview führte Birgit Schneider, Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich.

Porträt

Berit Müller ist Diplom-Ingenieurin für Energietechnik. Nach zehn Jahren in der Lehre im Bereich erneuerbare Energien, Umwelt und Gesellschaft an der Technischen Universität Berlin wechselte sie ins Qualitätsmanagement in die Entwicklungsabteilung eines Biogasunternehmens. Danach erstellte sie Energieanalysen für Nichtwohngebäude und arbeitete als Netzwerkmanagerin für die Berliner Energieagentur. Ab 2010 war sie Teamleiterin in der Energiesystemanalyse des Reiner Lemoine Instituts. 2018 übernahm sie die Geschäftsführung der DGS Berlin Brandenburg.

Das Informationssystem EnArgus bietet Angaben zur Forschungsförderung, so auch zu diesem Projekt.
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