05.07.2022 | Aktualisiert am: 22.07.2022

Am Potsdamer Platz in Berlin wird die Quartiersversorgung jetzt noch effizienter. Im Projekt Qwark3 kommt eine innovative Wärmepumpe zum Einsatz, die klimafreundliche Fernwärme liefert. Als Quelle dient die Abwärme der Kältezentrale des Viertels. Anfang Juli fand das Richtfest statt.

Unter modernen Hochhäusern, Einkaufszentren und viel befahrenen Straßen am Potsdamer Platz versteckt sich ein unterirdisches System, das im gesamten Quartier für angenehme Temperaturen sorgt. Ein Kältenetz beliefert über 12.000 Büros, 1.000 Wohnungen sowie viele Kultureinrichtungen, Hotels und Behördensitze im Herzen von Berlin effizient mit lokal erzeugter Kälte – und das schon seit 1997. Zum 25-jährigen Jubiläum der Anlage startet nun ein weiteres Projekt die Umsetzung, das die Abwärme der Kältezentrale nutzen will, um klimafreundliche Fernwärme zu erzeugen. Damit dies gelingen kann, wurde nun mit dem Zusammenbau einer Hochtemperatur-Wärmepumpe begonnen. Die Anlage wird im Betrieb Wärme aus Erdgas ablösen und so rund 3,2 Millionen Kubikmeter Gas einsparen. Bis zu 6.500 Tonnen CO₂ weniger pro Jahr werden somit emittiert.

Die Wärmewende vorantreiben und die Versorgung mit Wärme absichern

Die Partner Vattenfall Wärme Berlin und Siemens Energy wollen diese innovative Technologie im Rahmen des Forschungsprojektes Qwark3 in der Praxis erproben. ("Qwark" steht dabei für "Quartiers-Wärme-Kraft-Kälte-Kopplung".) Eine Hochtemperatur-Wärmepumpe soll Anwohner und Geschäftskunden künftig effizient mit klimafreundlicher Wärme versorgen. Gleichzeitig wird in der Kältezentrale Kühlwasser eingespart. Die Anlage ist weltweit eine der ersten, die in dieser Leistungsklasse Temperaturen von bis zu 120 Grad Celsius erzeugen kann.

Beim Richtfest der Anlage und der gleichzeitigen Jubiläumsfeier der Kältezentrale in Berlin Anfang Juli nahmen Vertreterinnen und Vertreter der Projektpartner und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) teil, das das Projekt mit rund 4,4 Millionen Euro fördert.

„Forschungsergebnisse, die die Praxistauglichkeit beweisen, können anderen als Vorbild dienen“, betonte Dr. Wolfgang Langen, Leiter des Referates IIC6 Energieforschung im BMWK. „Mit diesem Demonstrationsprojekt zeigen die Partner Vattenfall Wärme Berlin und Siemens Energy, wie die Energiewende durch intelligente Sektorkopplung mit innovativer Wärmepumpentechnik für die Fernwärme gelingen kann.“

Von Wärme zu Kälte und wieder zurück

Bei der Kälteversorgung am Potsdamer Platz entsteht Abwärme, die in einem Wasserkreislauf abgeführt und über Kühltürme an die Umgebung abgegeben wird. Diese Wärme kann genutzt werden, allerdings ist das Rücklaufwasser nicht warm genug, um direkt in das Berliner Fernwärmenetz eingespeist zu werden. Hier kommt die Hochtemperatur-Wärmepumpe zum Einsatz. Sie hebt die Temperatur des Wassers auf ein höheres Niveau zwischen 80 und 120 Grad Celsius, um es dann bedarfsgerecht in das Fernwärmenetz einzuspeisen. Der Strom für den Betrieb der Wärmepumpe stammt aus erneuerbaren Quellen.

Mit 8 Megawatt thermischer Leistung erzeugt die Hochtemperatur-Wärmepumpe eine jährliche Gesamtwärmemenge von bis zu 55 Gigawattstunden. Damit können im Sommer 30.000 Haushalte mit Warmwasser und im Winter 3.000 Haushalte mit Wärme versorgt werden. Der Schlüssel zum Erfolg soll ein neuartiges Kältemittel sein, das in der Hochtemperatur-Wärmepumpe zum Einsatz kommt. Die Technologie macht aber nicht nur die Abwärme nutzbar. Sie sorgt gleichzeitig dafür, dass die Kälteversorgung effizienter wird. Die Projektpartner schätzen, dass sie auf diese Weise jährlich 6.500 Tonnen CO₂ und etwa 120.000 Kubikmeter Kühlwasser einsparen können.

So funktioniert die Quartierkälte am Potsdamer Platz

Die Quartierkälte am Potsdamer Platz ist eine zentralisierte Art der Kälteversorgung, die effizienter als dezentrale Anlagen in einzelnen Gebäuden arbeitet. Große Absorptions- und Kompressionskälteanlagen in der Kältezentrale kühlen Wasser auf eine Temperatur von 6 Grad Celsius ab. Die Absorptionskältemaschinen nutzen dafür Stadtwärme aus dem Heizkraftwerk Mitte. Die Kompressionskältemaschinen werden mit Strom betrieben. Durch ein unterirdisches Quartierkältenetz fließt das kühle Wasser dann zu den verschiedenen Abnehmern in Büros, Wohnhäusern und anderen Gebäuden. Dort kühlt das Wasser die Räume und erwärmt sich wieder, auf rund 12 Grad Celsius. In parallel verlaufenen Leitungen fließt es dann zurück in die Kältezentrale und wird erneut abgekühlt. Gesteuert werden die Kälteanlagen von der Berliner Wärmeleitwarte. Je nachdem wie viel Energie verfügbar ist und abgestimmt mit dem Stadtwärmesystem wird die Kälteerzeugung flexibel angepasst.

Video zur Kältezentrale auf YouTube

„Die Kältezentrale ist seit 25 Jahren ein Beispiel für die vorausschauende Quartiersplanung. Es ist ein Konzept, das noch heute aufgeht und zeigt, was wir erreichen können, wenn Politik, Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam planen – und umsetzen“, sagt Tanja Wielgoß, Vorstandsvorsitzende bei der Vattenfall Wärme AG. „Mit der neuen Hochtemperatur-Wärmepumpe wird dieses einzigartige Energiekonzept jetzt noch innovativer. Das Projekt Qwark3 ist ein weiterer wichtiger Baustein auf dem Weg zur klimaneutralen Wärmeproduktion für unser Stadtwärmesystem bis 2040.“

Qwark3: Anwendung in der Praxis soll wertvolle Erkenntnisse liefern

Das Projekt läuft noch bis Mitte 2025. In dieser Zeit wollen die Partner Erfahrungen aus der Praxis sammeln und so wichtige Erkenntnisse für den Einsatz von Hochtemperatur-Wärmepumpen sammeln. Denn für die Umsetzung der Wärmewende sind solche belastbaren Ergebnisse besonders wichtig. Die Anlage soll noch dieses Jahr im November in Betrieb genommen werden. Dann beginnt eine dreijährige Monitoringphase. (ks)

Die Wärmepumpe: Effizient mit Umweltwärme

Wärmepumpen sind bereits im kleinen Maßstab besonders effizient: Eine handelsübliche Anlage, mit der sich etwa ein Einfamilienhaus beheizen lässt, kann je nach Bauart für jährlich rund 2.000 Kilowattstunden Strom 8.000 Kilowattstunden Wärme produzieren. Dies ist möglich, weil die Wärmepumpe Wärme aus der Umgebungsluft, dem Erdreich oder andern Quellen nutzt und lediglich elektrisch aufwertet. Eine Heizung, die fossile Brennstoffe nutzt, verbraucht für dieselbe Wärmeleistung rund 800 Liter Heizöl oder 800 Kubikmeter Gas.

Kontakt

Siemens Energy Global GmbH & Co. KG

www.siemens-energy.com/de/
Tel.: +49 (911) 6505 6505

Das Informationssystem EnArgus bietet Angaben zur Forschungsförderung, so auch zu diesem Projekt.
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