Der Einstieg ins Energiemanagement ist für viele kleine und mittlere Unternehmen schwierig. Hohe Investitionskosten und fehlendes Fachwissen hemmen die Umsetzung. Ein Forschungsteam will das ändern und entwickelt einen modularen und damit kostengünstigen Ansatz, zugeschnitten auf KMU.

Energiesparpotenzial gibt es an unzähligen Stellen – und schon kleine, günstige Maßnahmen können einen großen Effekt haben. Besonders deutlich wird dies im industriellen Bereich. Hier kommen verschiedenste Anlagen von der Gebäudetechnik bis zur Produktion selbst zusammen. Zu erkennen, wo Energie verloren geht und welche Synergieeffekte genutzt werden könnten, ist aber gerade für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nicht immer einfach. Zum einen ist die Installation neuer Messanlagen und entsprechender Energiemanagement-Software mit teils hohen Investitionen verbunden. Zum anderen fehlt kleinen Unternehmen oft das nötige Fachwissen, um die Ergebnisse einer solchen Datenerhebung auch effektiv nutzen zu können.

Das Tor für Digitalisierung und Industrie 4.0 öffnen

Hier setzt das Forschungsprojekt KMUplus (Energy Intelligence - Entwicklung einer modularen Energiemanagementlösung für kleine und mittlere Unternehmen als Mehrwert im Zuge ganzheitlicher digitaler Transformation) an. Expertinnen und Experten der fünf Projektpartner koordiniert von der Firma BUILD.ING Consultants + Innovators GmbH entwickeln in diesem Vorhaben eine modulare und damit kostengünstige Energiemanagementlösung, die für die Bedürfnisse von KMU ausgelegt ist. Um einen reibungslosen Transfer in die Praxis zu ermöglichen sowie Akzeptanz und Alltagstauglichkeit zu testen, wird das System direkt in einem Unternehmen erprobt.

„Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen für das Thema Energie zu sensibilisieren und ihnen einen leichteren Einstieg in den Bereich der Energieeffizienz zu ermöglichen“, sagt Projektleiter Oliver Jainta. „Ein sinnvolles Energiemanagementsystem und eine sukzessive Vernetzung aller relevanten Kommunikationssysteme eines Unternehmens kann die Wettbewerbsfähigkeit im produzierenden Gewerbe nachhaltig steigern. Eine solche innovative Infrastruktur öffnet diesen Unternehmen das Tor zur Digitalisierung und zur Integration in Industrie 4.0-Standards.“

Um die Energiemanagementlösung möglichst genau auf die Bedürfnisse von KMU aller Branchen zuschneiden zu können, haben die Forschenden zunächst grundlegende Benchmarks ermittelt: Wie sieht der Anlagenbestand von KMU aus, wie hoch ist der Energieverbrauch und wo liegen typische Schwachstellen und Einsparpotenziale? Kombiniert mit Erkenntnissen zu typischen Funktionen gängiger Energiemanagementsysteme sowie zu IT-Infrastruktur und -Schnittstellen in KMU dienen diese Daten als Grundlage für das Energiemanagementsystem.

Virtuelle Zähler und mobile Messkoffer erleichtern das Energiemanagement

Um die Kosten für Messsensorik zu reduzieren, setzen die Forschenden auf möglichst viele virtuelle Zähler. Dafür hat das Team für gängige Verbraucher Datensätze mit typischen Kenngrößen, Energieverbräuche und häufigen Fehlern angelegt. Diese Daten bilden die Basis für virtuelle Zähler, die den Energieverbrauch bestimmter Anlagen je nach Betriebszustand auch ohne physische Messungen möglichst genau abbilden können. Ventilatoren, Pumpen, Kältemaschinen und bestimmte Produktionsmaschinen können so mit nur geringen Kosten in das Energiemanagementsystem eingebunden werden. Validiert wurden diese Erkenntnisse durch Messungen an den Anlagen beim Praxispartner vor Ort. Dafür kam auch die in KMUplus entwickelte Messtechnik zum Einsatz.

Was ist ein virtueller Zähler?

Ein virtueller Zähler ermittelt den Verbrauch einer oder mehrerer Anlagen oder Gebäude, etwa von Strom oder Wasser. Im Gegensatz zu einem physischen Zähler ermitteln virtuelle Zähler den Verbrauch über alternative Messstellen, also Sensoren, die bereits vorhanden sind oder einfach zu nachzurüsten sind. Zum Beispiel kann ein virtueller Zähler den Stromverbrauch einer Maschine über einen Temperatursensor errechnen, wenn zuvor die Korrelation von Temperatur und Stromverbrauch über mobilen Messungen dargestellt werden konnte. Unter Umständen reicht bereits die Erfassung des Betriebszustandes der Maschine. Virtuelle Zähler können so auch ohne aufwendiger Zählerinstallation ausreichend genaue Verbrauchsdaten liefern.

KMUplus-Dashboard: Das Dashboard zeigt eine Übersicht über die aktuellen Energieverbräuche und genutzten Wirkleistungen der einzelnen Maschinen und Umverteilerkreise in der Produktionshalle.
©Klimke, Trevisto AG

KMUplus-Dashboard: Das Dashboard zeigt eine Übersicht über die aktuellen Energieverbräuche und genutzten Wirkleistungen der einzelnen Maschinen und Umverteilerkreise in der Produktionshalle.

Hier verfolgen die Forschenden zwei Ansätze: Ein mobiles Messgerät und eine festinstallierte, modulare Messtechnik. Das mobile Gerät, ein Messkoffer, soll unter anderem Temperaturen, Volumenströme, elektrische Ströme, Spannungen und Phasenverschiebungen erfassen und in einem integrierten Speicher ablegen. Auch Werte wie Behaglichkeit und Raumluftqualität können daraus abgeleitet werden. Der Koffer ist modular designt, sodass je nach Bedarf einzelne Elemente ausgetauscht oder hinzugefügt werden können. Die integrierte Software wertet die Messergebnisse sofort aus und visualisiert diese auf einem Touchscreen. Der mobile Messkoffer erlaubt es den KMU, Messdaten ihrer Anlagen auch ohne eine fest installierte Sensorik zu erheben. Diese Daten können dann ebenfalls in die Datenbank der typischen Verbraucher einfließen und als Basis für virtuelle Zähler dienen. Sie liefern außerdem Aufschluss darüber, welche Anlagen mit fest installierter Messtechnik ausgestattet werden sollten.

Große Energieverbraucher identifizieren

Diese festinstallierte Messtechnik gestalten die Projektpartner ebenfalls modular, um sie optimal auf die Bedürfnisse des jeweiligen Unternehmens anpassen zu können. Nach einer Analyse der relevanten Verbraucher des Unternehmens, installiert das KMUplus-Team die Sensoren, die Energiefluss und andere relevante Parameter aufzeichnen. Auf einer grafischen Benutzeroberfläche können die Mitarbeitenden des Unternehmens die gemessenen Daten, Warnungen und Meldungen in Echtzeit verfolgen sowie historische Auswertungen vornehmen. So können sie große Energieverbraucher erkennen und Maßnahmen ergreifen, um langfristig die Energieeffizienz zu steigern.

Hilfe zur Selbsthilfe: Informationen bereitstellen und Akzeptanz schaffen

Während des gesamten Projektes ist es den Forschenden wichtig, dass ihre Systeme nicht nur in der Praxis funktionieren, sondern auch, dass sie in den KMU akzeptiert werden. Deshalb arbeiten sie in verschiedenen Workshops direkt mit Mitarbeitenden der Unternehmen zusammen. Ihre Anforderungen an ein Energiemanagementsystem, ihre praktischen Erfahrungen und ihr Input zu der Softwarelösung, deren Oberflächengestaltung sowie zu Benutzerfreundlichkeit und Datenschutz fließen in die Entwicklung ein.

Das KMUplus-Team entwickelt zudem einen Leitfaden, der die ganzheitliche Energiedatenerfassung in kleinen und mittleren Unternehmen erleichtern soll. Unter dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“, enthält dieser Hinweise zu kritischen Verbrauchern und Messstellen sowie Hilfestellungen zum Aufbau einer Datenerfassung und Datenhaltung. Den Unternehmen wird außerdem ein ausführliches Wiki zur Verfügung gestellt, in dem Lösungsvorschläge für KMU zu diversen Fragen und Problemstellungen eines Energiemanagementsystems aufgeführt werden. Die Beiträge des Wikis sollen folgende Punkte behandeln:

  • Klärung von Begriffen des Energiemanagements

  • Anforderungen verschiedener Normen des Energiemanagements

  • Vorschläge für die Einführung eines Energiemanagementsystems in KMU

  • Vorgehensweise für die Entwicklung einer Energiestrategie des Unternehmens

  • Instrumente eines kontinuierlichen Verbesserungsprozesses

  • Hinweise für eine strukturierte Energiedatenerfassung in Unternehmen

  • Struktur, die KMU eine Ausgangsbasis für die Erstellung eines unternehmensinternen Informationssystems für das Energiemanagement bietet

(Hinweis der Redaktion: Nach Veröffentlichung werden die entsprechenden Links sowie weitere Informationen zu Leitfäden, Webseite und WIki auf energiewendebauen.de veröffentlicht). (ks)

Zuletzt aktualisiert am: 11.11.2022

EnOB: KMUplus: Energy Intelligence - Entwicklung einer modularen Energiemanagementlösung für kleine und mittlere Unternehmen als Mehrwert im Zuge ganzheitlicher digitaler Transformation;

För­der­kenn­zei­chen: 03ET1621 A-E

Projektlaufzeit
01.12.2018 31.03.2023 Heute ab­ge­schlos­sen

The­men

För­der­sum­me: 2,5 Millionen Euro

Kontakt

Koordination und Entwicklung von Energiemanagementstrategien für KMU

BUILD.ING Consultants + Innovators GmbH
Energie und Nachhaltigkeit
www.b-ci.de
+49 (0) 171 2977151

kontakt@b-ci.de

Gesamtkonzeption, Umsetzung und Entwicklung der Architektur für die Systemlösung

Trevisto AG (TRE)

www.trevisto.de
+49 (0) 911 430839 00
info@trevisto.de

 

Entwicklung von universellen Messsystemen und numerischen Prognosen für ein kostengünstiges EMS

Technische Hochschule Nürnberg
Fakultät Maschinenbau und Versorgungstechnik (THN)
www.th-nuernberg.de
+49 (0) 911-5880-0
info@th-nuernberg.de

 

Entwicklung von KI-Modellen zur Zustandsüberwachung/ Energieoptimierung von Industriesystemen

Fraunhofer-Institut für integrierte Schaltungen (IIS)
www.iis.fraunhofer.de
+49 (0) 9131 776-0
info@zv.fraunhofer.de

Auf dem Bild ist das Innere der ETA-Fabrik zu sehen. In einem hellen Fabrikraum arbeiten menschen an verschiedenen Produktionsanlagen.
©TU Darmstadt/PTW/ETA-Fabrik/Hessen Schafft Wissen/Foto: Jan Hosan

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