Energieoptimierte Bildungsbauten
Energieinnovationen im Plusenergie-Kinderhaus
Die „Arche Noah“ ist ein Kinderhaus, das sowohl architektonisch, bauökologisch als auch bautechnologisch und energetisch vorbildhaft konzipiert ist. Zwei Grundwasser-Wärmepumpen sind auf eine thermische Solaranlage abgestimmt und die Heizwärme wird mit niedrigen Temperaturen auf die Räume verteilt. Ein hybrides Lüftungssystem senkt den Energiebedarf für Heizung und Lüftung. Den Strombedarf für den Gebäudebetrieb und alle weiteren Geräte deckt eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach, wobei in der Jahresbilanz ein Plus angestrebt wird. Das Gebäude ist seit September 2013 in Betrieb.
In der im Südwesten des Landkreises München gelegenen Gemeinde Höhenkirchen-Siegertsbrunn mussten zusätzliche Kindergartenplätze geschaffen werden. In dem neuen Gebäude sollten auch Krippen- und Hortplätze entstehen. Verschiedene Bürgergruppen der 10.000-Seelen-Gemeinde entwickelten die Idee, ein besonders nachhaltiges und vorbildhaftes Projekt zu verwirklichen.
Das Konzept eines Plusenergie-Kinderhauses fand in der Bürgermeisterin eine engagierte Unterstützerin. Die Gemeinde beauftragte gleich zu Projektbeginn Anfang 2010 ein interdisziplinär besetztes Planungsteam, bestehend aus den Architekten, Fachplanern und einem Forschungsinstitut zwecks wissenschaftlicher Beratung und Begleitung des Projekts. Der Gebäudeentwurf überzeugte nicht nur den Bauherren sondern auch die Jury im BMWi-Preis 2011 „Architektur mit Energie“. Die Jury vergab dem Projekt eine lobende Erwähnung mit folgender Begründung:
„Die im Wettbewerb vorgegebene Nutzenergieanforderung wird durch ein sorgsam aufeinander abgestimmtes Gebäude- und Energiekonzept weit unterschritten. Durch thermische und photovoltaische Solarenergienutzung wird auch der Primärenergiebedarf auf weniger als die Hälfte des Referenzgebäudes gesenkt. Der integrale Planungsprozess sichert eine gute Abstimmung zwischen Architektur, Bauphysik und Gebäudetechnik und bezieht die Nutzer des Gebäudes über ein pädagogisches Konzept mit ein."
Forschungsfokus
Das Fraunhofer-Institut für Bauphysik wurde von Anfang an in die fachübergreifende, integral angelegte Planung mit einbezogen. Das wissenschaftliche Monitoring wird von der Hochschule Rosenheim durchgeführt. Hier gilt es, das Zusammenspiel einiger innovativer Komponenten und Systeme genauer unter die Lupe zu nehmen und die Gebäudeperformance detailliert zu erfassen. Schließlich soll das Konzept im Erfolgsfall in weiteren vergleichbaren Gebäuden eingesetzt werden. Nicht zuletzt deshalb ist eine sorgfältige Inbetriebnahme des Gebäudes besonders wichtig. Das ist die Aufgabe der wissenschaftlichen Projektbegleitung.
Gebäudekonzept
Um die angestrebten Ziele eines flexibel nutzbaren, ansprechenden Plusenergie-Kinderhauses mit hohem Komfort erreichen zu können, mussten bereits im Gebäudeentwurf sämtliche energetische Potenziale genutzt werden. Gleichzeitig sollten auch die speziellen Anforderungen an verschiedene, kindgerechte Aufenthaltsbereiche erfüllt werden. Das längliche, Nord-Süd-orientierte Grundstück stellte hierbei eine besondere Herausforderung für die Architekten dar. Mit dem vorliegenden Entwurf konnte es dennoch gelingen, die Aspekte Südorientierung und Kompaktheit gleichermaßen umzusetzen. Der in der Mitte des Grundstücks platzierte Baukörper weist eine vergrößerte Südfassade auf, die durch eine etwas tiefer gelegte, vorgelagerte Terrasse entsteht.
Die gewählten natürlichen Baustoffe Holz (Holzrahmenbauweise) und Lehm (speziell entwickelte Lehmregale als Innenwände der Gruppenräume) sollen das Innenraumklima verbessern, sie dienen als Puffer für Feuchtigkeit und Wärme. Daneben kommen auch innovative Systemlösungen zum Einsatz, um den Raumkomfort und die Energieeffizienz zu erhöhen: PCM-Module sollen die Wärmespeicherfähigkeit der Räume erhöhen, wohingegen an der Holzbalkendecke montierte Akustik-Baffel die Raumakustik positiv beeinflussen.
Energiekonzept
Das energetische Konzept setzt zuallererst auf einer Minimierung des Energiebedarfs und im zweiten Schritt auf eine nachhaltige und effektive Deckung des verbleibenden Bedarfs mit regenerativen Energieträgern. Der gesamte Strombedarf für den Gebäudebetrieb und für alle weiteren, nutzungsbezogenen Geräte wird bilanziell durch die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach erzeugt. In der jährlichen Bilanz wird ein Überschuss (Plus) angestrebt.
Zur Reduktion des thermischen Energiebedarfs wird eine hocheffiziente Gebäudehülle umgesetzt, die nahezu wärmebrückenfrei und luftdicht ist. Zudem kommt eine hybride Lüftungsanlage zum Einsatz. Die Innovationen im Einzelnen:
Hybrides Lüftungssystem
Das Lüftungskonzept sieht für die Lüftung der Nutzräume zwei unterschiedliche Modi vor: Im Winter, bei kalter Außenluft, erfolgt die Lüftung über eine mechanische Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Die Fenster sollen dabei nicht geöffnet werden. Dabei erfolgt eine Vorerwärmung der Zuluft über das Grundwasser. Der Energiebedarf wird weiter reduziert über eine hoch effektive Wärmerückgewinnung mit einer Rückwärmzahl von 90% und durch bedarfsgeführte Lüftungsregelung in Abhängigkeit der Kohlendioxid-Konzentration.
Im Sommer-Modus wird die mechanische Lüftungsanlage abgeschaltet und die Lüftung erfolgt manuell durch Öffnen der Fenster. Dies wird unterstützt durch Luftqualitäts-Ampeln, welche die CO2-Konzentration im Raum anzeigen. Zudem wurde ein Solarkamin auf dem Dach installiert, der sowohl tagsüber die Querlüftung unterstützt als auch automatisiert zur passiven Kühlung durch Nachtlüftung eingesetzt wird.
Intelligente Steuer- und Regelungstechniken sowie Beleuchtung
Eine weitere Reduktion des Energiebedarfs für Heizen, Kühlen und Belüften soll durch den Einsatz von intelligenten Steuer- und Regelungstechniken erzielt werden:
- Bei geöffneten Fenstern wird in den Räumen automatisch die Heizung abgeschaltet,
- CO2-Sensoren ermöglichen eine bedarfsgesteuerte Lüftung,
- Lüftungsampeln sollen zur gezielten Fensterlüftung motivieren,
- Die seitlichen Öffnungen des Solarkamins werden in Abhängigkeit der Windrichtung automatisch gesteuert,
- Grundwasser-Wärmepumpen und thermische Solaranlage werden als Wärmeerzeuger aufeinander abgestimmt und energetisch optimiert geregelt und
- Verschiedene Kontrollsysteme zur Tageslichtversorgung und künstlichen Beleuchtung erhöhen den visuellen Raumkomfort und reduzieren den Energiebedarf für die künstliche Beleuchtung: Regelbare, lichtlenkende Sonnenschutzsysteme, tageslichtabhängige Kontrollsysteme in Gruppenräumen und Büros und Präsenzmelder in Sanitärräumen und Kellerfluren.
Niedrigexergie-Heizsystem
Die Wärmeverteilung erfolgt auf einem möglichst niedrigen Temperaturniveau, damit die Wärmepumpen energieeffizient betrieben werden können. Die zwei hocheffizienten Grundwasser-Wärmepumpen sollen mit optimierten und abgestimmten Komponenten eine erhöhte Erzeugerjahresarbeitszahl (EJAZ) erreichen.
Performance
Bereits nach zehn Monaten konnte im ersten Betriebsjahr eine Plusenergiebilanz erzielt werden.
Im Betrieb des Kinderhauses geht es nicht nur darum, dass dort innerhalb eines Jahres mehr Energie erzeugt als verbraucht wird, sondern auch darum, dass die kleinen Nutzer des Gebäudes und die Besucher dies hautnah "miterleben" können. Neben einer kindgerecht gestalteten Visualisierungstafel im Foyer (vgl. Abbildungen 16-19) wurden hierfür weitere Komponenten so angebracht, dass Funktionsweisen und Zusammenhänge deutlich werden. CO2-Ampeln zeigen in den Gruppenräumen an, wenn verbrauchte Luft weggelüftet werden muss. Der Solarkamin auf dem Dach ist aus dem Foyer heraus sichtbar und veranschaulicht die natürliche Lüftung des Gebäudes. Die Solarstromanlage ist über die Dachterrasse gut einsehbar und zeigt eine wesentliche Komponente der Gebäudeenergieversorgung. Zudem wird über weitere Maßnahmen nachgedacht, mit denen Sensibilität und Verständnis der Kinder für das Thema Energieeffizienz in Gebäuden gefördert werden soll.
Projektkenndaten
Konstellation: Who is who? | |
Bauherr, Investor | Gemeinde Höhenkirchen-Siegertsbrunn |
Betreiber, Nutzer | Evang.-Luth. Kirchengemeinde |
Gebäudetyp | Kindertagesstätte |
Baujahr des Gebäudes | 2013 |
Fertigstellung | 08.2013 |
Inbetriebnahme | 09.2013 |
Flächengrößen/Maße | |
Bruttogrundfläche (nach DIN 277) | 1.858 m² |
Beheizte Nettogrundfläche (für Nichtwohngebäude, in Anlehnung an DIN 277) | 1.286 m² |
Bruttorauminhalt | 6.436 m³ |
Arbeitsplätze (oder Schüler oder vergleichbare Personenangaben) | 140 Personen |
Nutzfläche AN (nach EnEV) | 1.286 m² |
A/V-Verhältnis (ggf. vor / nach Sanierung) | 0,38 m²/m³ |
Energiekennwerte Bedarf | ||||
Neubau / nach … | vor Sanierung | |||
Heizwärmebedarf (Nutzenergiebedarf Wärme) | 20,00 | / | kWh/m²a | |
Primärenergie Wärme | 13,00 | / | kWh/m²a | |
Primärenergie Gesamt | 37,40 | / | kWh/m²a | |
Mittlerer U-Wert (HT) | 0,30 | / | W/m²K | |
Unterschreitung Referenzwert | 27 | / | % |
Baukosten bzw. Sanierungskosten | ||
Kosten für die (Sanierung der) Baukonstruktion [KG 300] | 1.241 | EUR/m² |
Kosten für die (Sanierung der) Technischen Anlagen [KG 400] | 640 | EUR/m² |
12.07.2021