Bereits mit kleinen Temperaturdifferenzen kann ein Gebäude über die Fassade gekühlt oder beheizt werden. Das haben Forschende in einem Demonstrationsprojekt gezeigt. Das mehrschichtige Flächenheizsystem eignet sich besonders für Altbausanierungen und die Kombination mit Wärmepumpen.

Ein großer Baustein der Energiewende im Gebäudesektor ist die Sanierung von Bestandsgebäuden. Doch die Arbeiten sind aufwendig und bringen oft Unannehmlichkeiten für die Bewohner mit sich. Ein Lösungsansatz ist die Sanierung „von außen“. Statt im Fußboden des Wohnraums wird dabei eine Flächenheizung zwischen der Fassade und einer neuen Außendämmschicht angebracht. Die Bestandswand wird dadurch thermisch aktiviert und dient zusätzlich als Speicher. Regenerative Wärme beziehungsweise Kälte aus dem Erdreich, aus solarer Wärme oder Abwärme liefert die Energie. Ein Gebäude kann so wärmetechnisch nahezu vollständig von außen saniert werden.

Im Projekt LEXU II (Low Exergy Utilisation) wurde dieses Konzept an einer Fassade eines sanierungsbedürftigen Bürogebäudes aus den 60er bis 70er Jahren auf dem Campus der Universität des Saarlandes getestet. Unter Leitung der IZES gGmbH setzten die Projektpartner dort eine Flächenheizung in Kombination mit einer Wärmepumpe, einem Eisspeicher und hybriden PVT-Kollektoren um. Optional kann die außenliegende Wandtemperierung zur außenliegenden Luftheizung erweitert werden, indem ein Luftspalt zwischen Flächenheizungssystem und Wärmedämmung ein ergänzendes, schnell regelbares Luftheizungssystem eröffnet. Ziel des Projekts war es, die Umsetzbarkeit des Konzepts an einem realen Gebäude zu zeigen und die Wandheizung unter realen Bedingungen zu untersuchen. Mögliche exergetische Vorteile der Heizmethode sollten außerdem in Verbindung mit neuen Systemkonzepten verbessert werden.

Links ist ein Burögebäude  vor der Sanierung zu sehen. Rechts das selbe Gebäude nach der Sanierung mit einer neuen Fassade.
©IZES gGmbH
Links: Das Demonstrationsobjekt vor der Sanierung Mitte 2015. Rechts: Die fertige Fassade mit außenliegender Wandheizung im Januar 2016.

Kleine Temperaturunterschiede, große Wirkung

Im Vorgängerprojekt LEXU I (2006 bis 2009) hatten die Forschenden bereits an Muster und Laborwänden die Grundlagen für die praktische Umsetzung gelegt. Demnach waren die außenliegenden Heizsysteme funktionsfähig und führten je nach System zu Primärenergieeinsparungen zwischen zehn und 15 Prozent beim Einsatz von Wärmepumpen. An der Feldtestwand konnten die theoretisch ermittelten Kennzahlen nun größtenteils bestätigt werden.

Die Flächenheizung sorgte auch „von außen“ mit geringen Vorlauftemperaturen für ein gutes Heizergebnis. Um Wärmeverluste an der Außenwand auszugleichen, reichten bereits Vorlauftemperaturen knapp über der Ruhetemperatur der Wand in der Heizebene. Die gute Übereinstimmung der Messwerte an der Testfassade mit den theoretischen Annahmen legten außerdem nahe, dass die außenliegende Wandtemperierung auch auf andere gängige Bestandswände aufgesetzt werden kann.

Um die Übertragbarkeit auf andere Gebäude besser einschätzen zu können, haben die Forschenden zentrale Kennwerte bestimmt, sowie Rechenmodelle für diese Art der Wandtemperierung durch Messwerte an der Testfassade validiert. Ein Beispiel: Bei einer maximalen Vorlauftemperatur von 35°C können an der Feldtestfassade über die Transmissionswärmeverluste hinaus maximal 39 Watt pro Quadratmeter an den Raum übertragen werden. Je nach Zustand der Bestandswand verändert sich diese übertragbare Wärmeleistung entsprechend. So beeinflusst etwa der U-Wert einer Fassade die Leistung der Wandheizung für das entsprechende Bestandsgebäude. Wichtig: Bei den modellierten Werten handelt es sich um die maximale Leistung. In der Praxis wird die Wandheizung entsprechend des niedrigexergetischen Ansatzes idealerweise mit deutlich geringeren Vorlauftemperaturen zwischen 20 und 25°C betrieben.

Sanierung im Schichtsystem

Damit Heizung, Kühlung und Dämmung zusammenwirken können, wurden die einzelnen Komponenten in einem Schichtsystem auf der Fassade angebracht. Zuerst wurden passend gefertigte Kapillarrohrmatten befestigt und mit den Stammrohren verschweißt. Die Matten bestehen aus mehreren kleinen Rohren, sogenannten Kapillaren, durch die die Heiz- beziehungsweise Kühlflüssigkeit geleitet wird – im Fall der Feldtestfassade Sole. Es wurde jedoch in den Vorprojekten bereits nachgewiesen, dass in dieser Ebene bei üblichen Randbedingungen auch Wasser zum Einsatz kommen kann, da keine Frostgefahr besteht.

An der Testfassade wurden auf einer Gesamtfläche von rund 192 Quadratmeter insgesamt 45 Matten und etwa 275 Meter der Stammrohre verlegt. So entstand eine aktive Fläche von rund 140 m², was einer thermischen Gesamtleistung von rund 5,6 Kilowatt entspricht. An einem kleinen Teil der Fassade wurde der Aufbau außerdem zu einer außenliegenden Luftheizung erweitertet.

Eine Skizze zeigt den Wandaufbau der Feldtestfläche. Es sind mehrere Schichten zu sehen.
Der Schichtaufbau für die Feldtestfassade in Saarbrücken. | ©IZES gGmbH | Erzeugt mit ubakus.de

Der gesamte Wandaufbau (Bestandswand, Wandtemperierung, Wärmedämmverbundsystem) wurde insgesamt fast 60 Zentimeter dick. Dies war im Feldversuch jedoch unter anderem den eingeputzten Messgeräten geschuldet. Einen optimierten, dünneren Aufbau demonstrierten die Projektpartner an einer Modellwand. Die Fassadenarbeiten in Saarbrücken starteten im August 2015 und endeten im Januar 2016. Darauf folgten weitere Arbeiten an Wärmepumpe, Eisspeicher und PVT-Kollektoren, bis die Anlage schließlich Ende 2018 in Betrieb genommen wurde.

Die Systemkosten der Testfassade lagen insgesamt bei 20.380 Euro. Das entspricht rund 106 Euro pro Quadratmeter. Erkenntnisse aus der Praxis lassen allerdings einige Einsparpotentiale erkennen. Die realistischen Systemkosten liegen nach den Berechnungen der Forschenden eher bei 70 bis 90 Euro pro Quadratmeter (netto). Unter Systemkosten werden nur die Zusatzkosten für die außenliegende Wandtemperierung verstanden, also die Mehrkosten für Material und Arbeit im Vergleich zu einer Standard-Sanierung einer Fassade mit einem Wärmedämm-Verbundsystem. Alle anderen Kosten wurden als Sowieso-Kosten nicht in die Systemkostenermittlung integriert.

Kombination mit Umweltenergie

Da nur eine Wand des Saarbrücker Bürogebäudes mit der außenliegenden Wandtemperierung ausgestattet werden konnte, führten die Forschenden mit den gewonnenen Messwerten zusätzliche Simulationen für vollständig belegte Gebäude durch. Diese zeigten, dass die Beheizung eines kompletten Gebäudes mit der Fassadenheizung von außen möglich ist.

Im alleinigen Betrieb (Fassadenheizung als einzige Heizfläche) entsteht den Simulationen zu Folge bei einer Vorlauftemperatur von 21°C ein energetischer Mehraufwand zwischen sieben und 16 Prozent, je nach Sanierungsgrad des Gebäudes. Dieser Mehraufwand erklärt sich durch die Lage der Temperierungsebene: Ein Teil der Energie geht über die Außenwand verloren (dieser Teil kann durch den Wirkungsgrad der Wandtemperierung beziffert werden), ein weiterer durch die Trägheit des Systems bei der Abschaltung der Heizung, wenn der Raum über die Solltemperatur hinaus überheizt wird. Dieser Mehraufwand könnte jedoch durch eine optimierte Regulierung des Heizsystems verringert werden.

Gemeinsam eignen sich Luft- und Wandtemperierung den Simulationen zu Folge sehr gut für die komplette Beheizung eines Gebäudes. Sehr gute Ergebnisse konnten mit niedrigen Vorlauftemperaturen und einfachen Regelstrategien erreicht werden. So konnte gezeigt werden, dass ein gut saniertes Bestandsgebäude mit der Luft- und Wandtemperierung komplett temperiert werden kann und dabei maximale Vorlauftemperaturen von 25°C benötigt.

Nächstes Projekt: Fertigbau

Der Feldversuch hat auch einige Optimierungspotentiale aufgezeigt. Zeit- und kostenintensiv war vor allem die aufeinanderfolgende Arbeit verschiedener Gewerke direkt an der Fassade. Im Nachfolgeprojekt LEXU_PLUS sollen deshalb vorgefertigte Sandwich-Fassaden-Elemente entstehen, die nur noch auf die Bestandswand aufgesetzt werden müssen. Außerdem soll über integrierte Massivabsorber zusätzlich Umweltwärme gewonnen werden. Das Projekt ist bis 2024 angesetzt.

Die Feldtestfläche in Saarbrücken wird auch nach Ende der Projektlaufzeit von LEXU II wissenschaftlich begleitet und steht für Messungen zur Verfügung. (ks)

Zuletzt aktualisiert am:
06.01.2022

Gebäudesanierung mit außen liegender Wandheizung

För­der­kenn­zei­chen: 0327370Y

Projektlaufzeit
01.01.2012 31.12.2019 Heute ab­ge­schlos­sen

The­men

Exergetische Optimierung, Heizen, Lüften, Kühlen, Sanierung von Einzelgebäuden

För­der­sum­me: 1.151.250 €

Kontakt

Koordination
IZES - Institut für ZukunftsEnergie- und Stoffstromsysteme gGmbH
http://www.izes.de

+49(0)681-9762-840

Wissenschaftliche Begleitung
Universität des Saarlandes
www.uni-saarland.de

Wissenschaftlich-technischen Umsetzung
Fachverband der Stuckateure für Ausbau und Fassade
www.stuck-verband.de

Eisspeicher
Isocal Heiz/Kühlsysteme GmbH, inzwischen Viessmann Eis-Energiespeicher GmbH
www.viessmann.de

Kapillarrohrmatten
Clina Heiz-und Kühlelemente GmbH
www.clina.de

Gemeinsam entwickelte kleine Wärmepumpe mit CO2 als Kältemittel
Thermea Energiesysteme GmbH, inzwischen Dürr thermea GmbH
www.durr.com

Belegungsplanung der Feldtestfassade
GEFGA Energiesysteme GmbH, Limburg
www.gefga.de

Planung der Hydraulik
HGE Ingenieure GmbH
www.hge-ing.de

©photo 5000 - stock.adobe.com

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