Ziel Klimaneutralität im Geschosswohnungsbau
Gebäudesanierung mit einem Baukastensystem innovativer Konzepte
Das 8-geschossige Gebäude aus den 1950er Jahren wurde mit der Zielsetzung saniert, den Energiebedarf künftig weitgehend mit lokaler und regenerativer Energie zu betreiben. Mit einem Forschungsprojekt wird der Betrieb des mit innovativen Konzepten und Technologien gespickten Gebäudes über zwei Jahre wissenschaftlich evaluiert.
Neben einer umfassenden Betriebsanalyse und Bewertung der Gebäudeperformance, wird die Übertragbarkeit des Konzeptes, oder Teilen davon, auf zukünftige Sanierungsobjekte bewertet.
Projektkontext
Mit dem „Zukunftshaus“ will die degewo AG, Berlins größte landeseigene Wohnungsgesellschaft, ein Modellprojekt realisieren. Damit sollen Wege aufzeigt werden, wie die in den kommenden Jahren und Jahrzehnten anstehende Sanierung von Bestandsgebäuden mit einem höchstmöglichen Grad an energetischer Nachhaltigkeit erfolgen kann. Der Bauherr möchte hierfür technische Optionen testen, die über die Anforderungen der EnEV deutlich hinausgehen und grundsätzlich eine Übertragbarkeit auf andere Objekte im eigenen Bestand zulassen. Pilotprojekt hierfür ist die Sanierung des 8-geschossigen Wohngebäudes in der Havensteinstraße 20/22 in Berlin-Lankwitz. Dabei soll ein sehr umfassendes und energetisch ambitioniertes Gesamtkonzept realisiert werden. Der Bauherr sieht dies nicht als Renditeprojekt, möchte aber mit einer „schwarzen Null“ abschließen. Es ist als Lernobjekt für weitere Sanierungsprojekte gedacht, die dann wirtschaftlich umgesetzt werden sollen. Die Lernziele umfassen neben technischen und wirtschaftlichen Aspekten auch den Nutzerdialog und das Nutzerverhalten.
Forschungsfokus
Das Energiekonzept des Gebäudes beinhaltet eine in dieser Konstellation besondere Form der Strom- und Wärmeversorgung, auch wenn die Einzelkomponenten keine echte Innovation darstellen. Eine Ausnahme hierbei ist der Erdwärmespeicher, der eine bislang eher selten realisierte Form der saisonalen Wärmespeicherung auf Niedertemperatur-Niveau ermöglicht.
Mit einer wissenschaftlichen Evaluierung wird der Gebäudebetrieb über drei Jahre untersucht. Die dabei erhobenen Verbrauchsdaten zur Energiebilanzierung werden anonymisiert. Mit dem Monitoring soll der Erfolg des Projekts überprüft und gegebenenfalls nachgesteuert werden. Dabei geht es um den Funktionsnachweis, ggf. Fehlerbehebung und Optimierung des Gesamtsystems und einzelner Komponenten. Auch die Übertragbarkeit unter energetischen und ökonomischen Kriterien ist Gegenstand der Betrachtungen.
Durchaus komplex ist die Steuerung und Regelung der elektrischen und thermischen Energieflüsse. Dieses Energiemanagement ist die strategische Komponente für den Erfolg des Gesamtsystems. Die Speicherkomponenten Niedertemperatur-Erdreichspeicher (Wärme) und Redox-Flow-Batterie (Strom) sind im Gebäudesektor noch nicht so verbreitet. Deshalb muss ihre Betriebsführung unter realen Bedingungen erprobt und für die im Projekt gesetzten Energiemanagementziele optimiert werden. Auch das Nutzerverhalten ist von Interesse für die Wissenschaft und den Bauherren. Für die Mieter sind sowohl die Deckenstrahlheizung und optionale sommerliche Kühlung als auch die kontrollierte Wohnungslüftung neu. Das braucht sicherlich eine Zeit der Eingewöhnung.
Konzept
Gebäudekonzept
Das Objekt aus dem Jahr 1954 hat 64 Wohnungen auf acht Stockwerken mit einer Wohnfläche von insgesamt 3.626 m2. Es liegt im baurechtlichen Sinne wenige Zentimeter unterhalb der Hochhausgrenze. Gerade solche relativ kompakten Gebäude sind zum einen weit verbreitet, zum andern aber über die Gebäudehülle und das Grundstück sehr viel schwieriger mit regenerativer Energie zu versorgen als kleinere Gebäude. Basis der Sanierung ist ein Wärmeschutz auf Passivhaus-Niveau.
Energiekonzept
Mit dem dezentralen mechanischen Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung (WRG) wird zunächst einmal der Wärmebedarf weiter reduziert. Kernpunkte des Energiekonzepts sind eine möglichst hohe Stromerzeugung auf der Gebäudehülle, die Stromspeicherung in einem Vanadium-Redox-Flow-Batteriespeicher und ein konsequentes Niedertemperatur-Konzept, das mit einem Erdwärmespeicher („eTank“) hohe Nutzungsgrade bei der Solartechnik und sehr gute Arbeitszahlen bei der Wärmepumpe ermöglichen soll. Ungewöhnlich im Wohnungsbau ist die Beheizung mit einer Deckenstrahlungsheizung, die im Sommer auch zur Kühlung verwendet werden kann. Der Flächenbedarf für die Solartechnik wird durch den Einsatz von hybriden PVT-Kollektoren verringert. Sie erzeugen sowohl Strom als auch Wärme. Ein Wärmemanager realisiert das Prinzip „Verbrauch vor Speicherung“ mit dem Ziel, eine möglichst hohe regenerative Energieversorgung zu erreichen.
12.07.2021