Ob im Gastgewerbe, in Rechenzentren oder Produktionsstätten: Kühlung und Klimatisierung spielen in vielen Bereichen unseres Lebens eine wichtige Rolle. Wird dabei die bereits vorhandene Nah- oder Fernwärme effizient zur Kälteerzeugung genutzt, kann sogar Primärenergie eingespart werden. Wie dies in der Praxis aussehen kann, testeten Forschende an verschiedenen Standorten in Deutschland.

Weltweit steigt die Nachfrage nach künstlich erzeugter Kälte und Klimatisierung in der Gebäudetechnik. Auch in Deutschland wird die Klimatisierung immer wichtiger. Hygienische Anforderungen, steigende Arbeitsschutzanforderungen und eine hochwertige technische Ausstattung sind die Ursachen hierfür. Gleichzeitig sollen die kälteerzeugenden Anlagen möglichst klimafreundlich und effizient arbeiten. Eine Möglichkeit hierzu stellt die Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung (KWKK) dar. Hierbei wird die klassische KWK um einen thermisch angetriebenen Kälteprozess erweitert.

Kälteanlagen installiert und betrieben

In einem Feldtest wurden 25 Absorptionskälteanlagen (AKA) an 16 Standorten installiert und betrieben. Alle Anlagen sind nach wie vor in Betrieb. Die zwei eingesetzten Anlagentypen (Nennleistung: 50 und 160kW) wurden im Vorgängerprojekt entwickelt. Gemeinsam mit den Feldtestpartnern und Betreibern der Systeme wurden diese ausführlich vermessen und analysiert. Die Kopplung mit den KWK-Anlagen erfolgte entweder über ein Fernwärmenetz oder direkt vor Ort. Das Koppelprodukt Wärme wird hierbei zur Kälteerzeugung genutzt. Bürogebäude, Rechenzentren, Krankenhäuser sowie Kultur- und Kongresszentren zählten zu den Einsatzgebieten.

Nutzungsgrad erhöht

Durch die Kopplung mit Absorptionskältemaschinen kann der Nutzungsgrad der KWK-Anlagen und der Wärmenetze erhöht werden. Mit den modernen Anlagen kann die Auskühlung im Desorber per Sollwertvorgabe der Kälteanlagen zu einer Absenkung der Rücklauftemperaturen im Fernwärmenetz genutzt werden. Unter Einsatz moderner KWK Anlagen oder Abwärme zum Antrieb der Absorptionskälteanlagen haben sie einen wesentlich geringeren Primärenergiefaktor als stromgetriebene Kompressionskälteanlagen. Allerdings benötigen auch thermisch angetriebene Maschinen Strom, etwa für den Energietransport (Pumpen).

Geringer elektrischer Energieverbrauch

Das Ziel, thermisch angetriebene Kälteerzeugungsanlagen mit einem maximalen spezifischen Elektroenergieverbrauch von 0,05 kWhel/kWh0 bezogen auf die erzeugte Kältemenge zu betreiben, wurde vielfach erreicht und sogar unterboten. Die mittlere, jahresdurchschnittliche elektrische Effizienz (Kehrwert des spezifischen Elektroenergiebedarfs, das heißt erzeugte Kälte bezogen auf elektrische Antriebsenergie) der besten Anlagen erreichte Monatswerte von über 30 kWhel/kWh0. Hierzu wurde zum Beispiel eine dynamische, lastabhängige Anpassung der externen Versorgungsvolumenströme bei den Absorptionskälteanlagen vorgenommen. Mehrere Beispiele zeigen, wie unabhängig von der Kälteerzeugertechnologie im Winter technisch erzeugte Kälte durch freie Kühlung ersetzt werden kann. In einem Beispiel wird die Kälteanlage im Winter als Wärmepumpe betrieben und erreicht somit unter anderem eine maximale Anlagennutzung.

Erfolgreiche Umsetzung: Drei Praxisbeispiele

Die klimatischen Bedingungen im Rheingraben bei Karlsruhe stellen für einen Standort in Deutschland höchste Anforderungen an die Rückkühlung von Kälteanlagen. In der größten Installation im Projekt mit 400kW Absorptionsleistung (drei Anlagen) und 850kW installierter elektrischer Kältetechnik (eine Anlage) kam es zu sehr guten Ergebnissen. Da die Auslegungsleistung bei hohen Umgebungstemperaturen gewährleistet sein muss, sind die Absorptionskälteanlagen bei moderaten Temperaturen in der Kühlsaison fähig, mehr Leistung zu erbringen als vom Planer prognostiziert. So wurden anstelle von 60% Kälteanteil im Jahresbedarf über 70% durch die AKAs primärenergetisch vorteilhaft bereitgestellt. Dazu trägt die Fernwärme bei, die im Sommer einen hohen Anteil aus industriellen Abwärmeprozessen gewinnt und eine elektrische Effizienz zwischen 15 und 25 kWh Kälte pro eingesetzter Elektroenergie  hat (Monatsmittelwerte im letzten Projektjahr).

In einer Liegenschaft in Berlin befindet sich die Absorptionsanlage ganzjährig im Einsatz – im Sommer zur Kühlung und im Winter als Wärmepumpe zur energieeffizienten Beheizung. Im Fokus des Heizungsbetriebs steht hier aber nicht die Nutzung von Umweltwärme. Vielmehr konnten die Forschenden zeigen, wie sich eine signifikante Absenkung der Fernwärmerücklauftemperatur im Heizbetrieb gegenüber der Nutztemperatur für den Kunden erreichen lässt: So ergab sich gegenüber einer klassischen Fernwärmeheizung ein um bis zu 20% geringerer Fernwärmemassenstrom.  Die  Rücklauftemperatur konnte um bis zu 15K abgesenkt werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die zur Kühlung im Sommer installierte Kälteanlage im Winter mit moderatem hydraulischen Aufwand als Fernwärme- Wärmepumpe genutzt wird. Dies ermöglicht einen wirtschaftlicheren Netzbetrieb, eine um bis zu 25% höhere Netzleistung und damit die Möglichkeit mehr Kunden mit dem gleichen Netz und höherer Effizienz dank geringerer Netzverluste (durch geringere Netztemperaturen) im Winter zu versorgen.

In einem Bestandsgebäude einer Forschungseinrichtung musste die Heizungszentrale erneuert werden. Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten und da in der Liegenschaft ein hoher Eigenstrombedarf besteht, entschieden sich die Verantwortlichen für ein Blockheizkraftwerk mit 50kW elektrischer Leistung. Vorhandene Server wurden bis dahin mit elektrischen Kälteanlagen gekühlt. Durch die Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern entstand hier eine der bisher effizientesten Kälteanlagen: Im Jahresmittel erreicht diese Werte von 28 kWh Kälte pro eingesetzter Kilowattstunde Strom.  Im Winter, wenn die Wärme aus der KWK Anlage zum Heizen benötigt wird, werden die Server ohne maschinellen Einsatz direkt über das RKW der AKA gekühlt. Nach Angaben der Liegenschaft können so für Strom, Wärme und Kälte etwa 70.000 Euro an Betriebskosten im Jahr eingespart werden. In einem zukünftigen Schritt wird die Nutzung der Serverabwärme zu Heizungszwecken geprüft.

Anwendung

Durch die enge Verzahnung von Planern,  Installateuren, Betreibern, Versorgern und der Wissenschaft wurden alle relevanten Kompetenzen gebündelt. Es konnten wichtige Erkenntnisse für die Praxis gewonnen werden:

  • Einfache hydraulische Konzepte für Einzelanlagen wie für Kältezentralen mit mehreren Erzeugern liegen vor.
  • Die Kenntnis über Bestandsanlagen- und infrastruktur sowie die Kenntnis weiterer Nutzungsmöglichkeiten ist ein entscheidender Faktor für eine gute Planung und einen effizienten und wirtschaftlichen Betrieb.
  • Grundlage des betriebswirtschaftlichen Erfolgs ist eine gute Lastprognose. Ab etwa 1000 Vollbenutzungsstunden der AKA ist eine Wirtschaftlichkeit erreichbar.
  • Die neuen AKA erlauben den Einsatz trockener Rückkühlwerke und ermöglichen damit sowohl eine besonders hohe Teillasteffizienz als auch den Verzicht auf eine Wasseraufbereitung sowie die Beprobung zur biologischen Belastung (Legionellen). Die Rückkühlung wird effizienter und kostengünstiger.
  • Umfangreiches Monitoring-Equipment und dessen Implementierung führten im Feldtest teilweise zu Abweichungen von 30% gegenüber den geplanten Kosten der Gesamtanlagen. Aus dem Monitoring heraus konnten Planungshilfen erstellt werden, die bisherige Unsicherheiten im Projektierungsprozess von thermischen Kälteanlagen eliminieren und damit kostensenkend, sowohl für die Investitionen als auch für die Betriebskosten verwendet werden können.
Zuletzt aktualisiert am:
12.07.2021

Neue Absorptionskälteanlagen an sechzehn Standorten getestet

För­der­kenn­zei­chen: 03ET1171A-D

Projektlaufzeit
01.05.2013 31.08.2018 Heute ab­ge­schlos­sen

The­men

Heizen, Lüften, Kühlen, Abwärmenutzung, Monitoring & Bilanzierung, Wirtschaftlichkeitsanalysen, Betriebsoptimierung

För­der­sum­me: 4.381.709 €

Kontakt

Koordination
TU Berlin, Fachgebiet Maschinen- und Energieanlagentechnik (eta)
http://www.eta.tu-berlin.de

Tel.: +49(0)30-314-22387

Verbundpartner
AGFW-Projekt GmbH
https://www.agfw.de

Tel.: +49(0)69-6304-1

Verbundpartner
BTGA - Bundesindustrieverband Technische Gebäudeausrüstung e. V.
http://www.btga.de


Verbundpartner
TU Dresden, Professur für Gebäudeenergietechnik und Wärmeversorgung
https://tu-dresden.de/ing/maschinenwesen/iet/gewv

Tel.: +49(0)351-463-32145

Wissenschaftlicher Partner
ILK Dresden: Institut für Luft- und Kältetechnik - Gemeinnützige Gesellschaft mbH
http://www.ilkdresden.de

Abschlussbericht zum Projekt

©struvictory - stock.adobe.com

Energieversorgung in Gebäuden und Quartieren

Im Fokus der Forschung zu energieoptimierten Gebäuden und Quartieren stehen effiziente und zugleich wirtschaftliche Versorgungsstrukturen. Systemische Ansätze statt Einzellösungen sind gefragt, um Sektorkopplung und Digitalisierung voranzutreiben und den Primärenergiebedarf im gesamten System durch die Integration erneuerbarer Energien deutlich zu senken.

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