Solarthermie ist klimafreundlich, technisch ausgereift und auch wirtschaftlich attraktiv. Trotzdem speisen derzeit nur rund 40 Großanlagen Wärme ins deutsche Wärmenetz. Das Forschungsprojekt Solnet 4.0 hat deshalb untersucht, warum insbesondere Versorger und Wohnungswirtschaft zurückhaltend sind – und wie sich das künftig ändern lässt.

In Deutschland entfällt über die Hälfte des Endenergieverbrauchs auf die Bereitstellung von Wärme, rund zwei Drittel hiervon auf den Gebäudebereich. Für Kommunen wird die Wärmewende damit zu einer großen Herausforderung: 2019 betrug der Anteil erneuerbarer Energien im Wärmebereich lediglich knapp 15 Prozent. Die Bundesregierung peilt allerdings für 2045 Klimaneutralität an.

Um dieses Ziel zu erreichen, sind Wärmenetze eine Option. Im Gegensatz zur individuellen Versorgung lassen sich hier Großanlagen, Effizienztechnologien und Sektorkopplung einfacher integrieren. Ein Beispiel sind sogenannte Energiedörfer. In diesen wechseln Bürger gemeinschaftlich von der Einzelheizung zum neuen Wärmenetz; etwa mit Biomasseheizkraftwerken, Wärmepumpen, Industrieabwärme – oder eben Solarthermie.

Potenziell können Gemeinden ihre Energieversorgung von fossil auf 100 Prozent klimaneutral umstellen, egal ob urban oder ländlich. Trotzdem sind viele noch zurückhaltend. Die Gründe dafür (und Möglichkeiten, diese auszuräumen) hat das Forschungsprojekt Solnet 4.0 zwischen 2017 und 2020 untersucht.

Solarthermische Großanlagen für das Quartier

In diesem Zeitraum haben immer mehr Wärmeversorger solarthermische Großanlagen als einen kostengünstigen und risikoarmen Wärmeerzeuger für ihre Nah- und Fernwärmesysteme entdeckt. Bei den Anlagen werden die erforderlichen großen Kollektorfelder meist auf unbebauten Freiflächen installiert. Es kommen dabei speziell entwickelte Flach- oder Vakuumröhrenkollektoren zum Einsatz. Etwa mit Biomasseheizwerken kombiniert, bedient die Solarthermie typischerweise den kompletten sommerlichen Wärmenetzbetrieb und insgesamt rund 20 Prozent der erforderlichen Jahreserzeugung.

Mit großen saisonalen Wärmespeichern können auch höhere Anteile an Solarwärme erreicht werden, 50 Prozent und mehr wären möglich. Ab einer Größe von rund 3000 m² Kollektorfläche beziehungsweise zwei Megawatt (MW) Leistung werden mit Regelförderung, wie sie das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) über KfW-Programme anbietet, konkurrenzfähige Gestehungskosten von etwa 40 Euro (pro MWh) erzielt. Für Wärmeversorger ist insbesondere die Preisstabilität attraktiv und, dass sie damit unabhängig von steigenden Energiepreisen sind.

Marktentwicklung und Prognose für Solarthermieanlagen für Wärmenetze zwischen 1996 und 2025 (Stand August 2020).
Marktentwicklung und Prognose für Solarthermieanlagen für Wärmenetze zwischen 1996 und 2025. (Stand August 2020, Grafik: Solites)

Über die Hälfte der aktuell 40 Großanlagen wurden seit den 1990er-Jahren in Forschungsprogrammen des Bundes realisiert, die erste Realisierungs- und Betriebserfahrungen sammeln konnten. Mitte der 2010er-Jahre gab es eine Kehrtwende: Heute realisieren Wärmeversorger die Anlagen vornehmlich aus betriebswirtschaftlichen Gründen und als Maßnahme des lokalen Klimaschutzes. Der derzeitige Zuwachs zeigt sich überwiegend in zwei Bereichen: Dies sind städtische Bestands-Fernwärmenetze in Ballungsräumen und kleinere, meist neue Wärmenetze im ländlichen Raum.

In Solnet 4.0 analysierten die Projektpartner anfangs Erfolgsfaktoren und Hemmnisse der realisierten Anlagen. Dies ermöglichte eine Prognose, laut der sich die installierte Leistung in den kommenden Jahren verdreifachen wird. Dies, obwohl sich solare Wärmenetze immer noch in einer frühen Marktphase befinden und eine Unterstützung bei der Marktbereitung zwingend erforderlich ist.

 

Realisierte und geplante Solarthermieanlagen in Wärmenetzen.
Realisierte und geplante Solarthermieanlagen in Wärmenetzen. (Grafik: Solites)

Das Konsortium von Solnet 4.0 setzte sich aus drei Projektpartnern und Teilprojekten zusammen. Als Koordinationsstelle und im Teilvorhaben „Konzeptentwicklung, Kommunikation und Transfer“ war das Steinbeis Forschungsinstitut für solare und zukunftsfähige thermische Energiesysteme (Solites) beteiligt. Im Teilvorhaben „Lösungskonzepte für Versorgungsunternehmen“ arbeitete die AGFW-Projektgesellschaft für Rationalisierung, Information und Standardisierung und im Teilvorhaben „Lösungskonzepte für die Wohnungswirtschaft und Flächennutzung“ das HIR Hamburg Institut Research.

Die Bestandsaufnahme im Rahmen von Solnet 4.0 bildete eine Basis, um anschließend die Marktbereitung im Bereich solarer Wärmenetze durch Entwicklungskonzepte voranzutreiben. Dazu haben die Forschenden einige Hemmnisse ausgemacht und im Austausch mit Wohnwirtschaft, Stadtwerken, Fachmedien und weiteren Stakeholdern Lösungsvorschläge entwickelt. Auch die „Initiative Solare Wärmenetze“, in der sich die führenden Unternehmen der Branche zusammengeschlossen haben, kooperierte mit den Projektpartnern von Solnet 4.0.

Hemmnisse und Lösungen aus Solnet 4.0

Während der Projektlaufzeit half auch dieser Austausch, Probleme und Wünsche der unterschiedlichen Akteure aufzudecken. Bei den Fernwärmeversorgern haben die Forschenden eine mangelnde Akzeptanz, wirtschaftliche Unsicherheit und teils fehlendes technisches Wissen ausgemacht. Mit der Begleitung bestehender Vorhaben erkannten die Forschenden, dass vor allem der Flächenbedarf für Solarthermieanlagen problematisch ist (s. u.). Daher erarbeiteten sie geeignete Vorlagen für Ausschreibungsunterlagen und konnten damit gleich einen positiven Beitrag zur Marktentwicklung leisten.

Freiflächen stehen nicht in jeder Kommune unkompliziert und zu rentablen Kosten zur Verfügung. Die Anlagen müssen schließlich in der Nähe der Wärmesenken installiert werden. Hier kann eine multifunktionale Flächennutzung helfen: Denkbar ist etwa die Überdachung von Parkplätzen oder die Nutzung von Fassaden als Träger von solarthermischen Anlagen. Eine besonders wichtige Funktion dürfte hier künftig den kommunalen Planern zufallen, die geeignete Flächen bereitstellen können.

Solaranlage und Baum
Bild: Annasunny/iStock/thinkstock

Solarthermieanlagen als Biotope

Schmetterlinge lieben abgelegene Täler? Im Gegenteil: 146 verschiedene Falterarten haben sich an einer Solaranlagen-Freifläche der Regionalwerke GmbH aus Bodenkirchen angesiedelt. Solche Flächen könnten ein Vermarktungs-Argument für umweltfreundliche Strom-Kunden sein; aber auch die Beweidung mit Schafsherden ist möglich. Und nicht zuletzt erhöhen solche Solar-Biotope die Akzeptanz der Anwohner.

Mehr Informationen finden Sie im Infoblatt Solare Wärmenetze | Nr. 6 (Thema Artenschutz)

 Der Wohnungswirtschaft fallen gleich mehrere Rollen zu: Sie ist die größte Fernwärme-Abnehmerin in Deutschland, betreibt aber auch selbst zahlreiche Wärmenetze. Eine durch das Projekt initiierte Umfrage lässt eine Schätzung zu, nach der es deutlich mehr als 3000 Wärmenetze sein könnten.

Zunächst mussten die Forschenden die rechtlichen Grundlagen analysieren, die die Anwendung solar betriebener Großanlagen betreffen. Darauf aufbauend konnten sie technische und organisatorisch-rechtliche Strategien entwickeln. Diese sollen der Wohnungswirtschaft künftig helfen, solare Wärme zu integrieren.

Die eingangs erwähnten Energiedörfer sind bereits ein Positivbeispiel dafür, wie sich solare Wärme einbinden lässt. Um das Konzept weiterzuverbreiten, müssen allerdings neue potenzielle Akteure aktiv gewonnen werden und auch Geschäftsmodelle entstehen. Die bisherigen Erfolge sind oft auf einzelne, fähige Projektentwickler zurückzuführen. Hier kooperierten die Forschenden vor allem mit Verbänden, um Veranstaltungen sowie Folgeaktivitäten anzustoßen. Ein konkreter Punkt: Nicht jedes Energiedorf verfügt über einen geeigneten Betreiber für eine solche Anlage. Was genau „geeignet“ bedeutet, haben die Forscherinnen und Forscher allerdings klar definieren können: So entstand in Solnet 4.0 eine Fachpublikation, die Betreibermodelle vorstellt und erklärt.

Dies zeigt bereits, dass die Öffentlichkeitsarbeit ebenso ein zentraler Bestandteil des Projekts war. Neben einer Internetseite, Accounts bei Youtube und Twitter, Fachartikeln oder Pressemeldungen entstanden auch elf Infoblätter zu Solaren Wärmenetzen. Diese bündeln und bereiten relevante Erkenntnisse aus dem Projekt zielgruppengerecht auf. Von Förderprogrammen über Ausschreibungsregeln bis hin zur Flächenmehrfachnutzung bieten die Infoblätter wichtige Informationen auf wenigen Seiten.

Neben den projekteigenen Maßnahmen schloss die Kommunikation auch weitere Multiplikatoren ein; etwa Behörden, Energieagenturen oder überregionale Agenturen und Netzwerke. Schließlich kann das im Vorhaben generierte Wissen in unterschiedlichen Sektoren dazu beitragen, effizienter und erfolgreicher Solarthermieanlagen für Wärmenetze zu entwickeln und einzusetzen.

Insbesondere Kommunen anzusprechen und Landesinitiativen zu vernetzen, sind zwei Kommunikationsbausteine, die auch in einem geplanten Folgevorhaben vertieft werden sollen. Um eine 50-fache Zubaurate zu erreichen, müssen aber auch Rechts- und Regulierungsrahmen verbessert, Genehmigungsabläufe verschlankt sowie insbesondere Freiflächen für die Solarenergienutzung verfügbar gemacht werden.

Die Ergebnisse und zahlreiche Projektprodukte von Solnet 4.0 stehen nun auf einer thematischen Wissensdatenbank bereit. Diese ist ebenfalls im Rahmen des Vorhabens entstanden und findet sich auf der Internetseite www.solar-district-heating.eu/de/ Hier gibt es etwa:

  • Zielgruppengerecht aufbereitete Analysen realisierter Anlagen
  • Projektprodukte für die adressierten Marktsektoren
  • Projekt-Know-how für Versorgungsunternehmen
  • Die Analyse zum Regulierungsrahmen für die Wohnungswirtschaft
  • Betreibermodelle für kleinere EE-Wärmenetze im ländlichen Raum

Weiter sind dort auch die umfassenden Solnet 4.0-Kommunikationsaktivitäten zu finden. Diese führten bereits dazu, dass Marktakteure und Fachpublikum das Thema solare Wärmenetze deutlich besser wahrnahmen. (pj)

Zuletzt aktualisiert am:
07.01.2022

Solnet 4.0 - Innovative Lösungs- und Entwicklungskonzepte zur Marktbereitung für solare Wärmenetze

För­der­kenn­zei­chen: 03EGB0002A-C

Projektlaufzeit
01.08.2017 30.09.2020 Heute ab­ge­schlos­sen

The­men

Solarthermie, Klimaneutrale Wärme, Wärmenetze

För­der­sum­me: 627.786 Euro

Kontakt

Koordination
Steinbeis Innovation gGmbH
 http://www.steinbeis.de

Tel.: +49 711 1839-688

AGFW-Projektgesellschaft für Rationalisierung, Information und Standardisierung mbH
Webadresse: https://www.agfw.de/


HIR Hamburg Institut Research gGmbH
Webadresse:https://www.hamburg-institut.com/

Weiterführende Links

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Klimaneutrale Wärme

Über die Hälfte der Energie in Deutschland nutzen wir, um unsere Häuser, Büros und Geschäfte zu heizen und um Wärme für Gewerbe und Industrie bereitzustellen. Der Übergang hin zu erneuerbarer Wärme, unvermeidbarer Abwärme und CO2-freien Brennstoffen muss organisiert werden.

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