Das 1911 errichtete und nach weitgehender Zerstörung in den 1950er Jahren wieder aufgebaute Luitpoldhaus wurde generalsaniert. Mit dem Projekt wurden die verschiedenen Bibliotheksfunktionen an den zentral in Nürnberg gelegenen Standort zusammengeführt. Dafür wurden die Gebäude saniert, umgebaut und erweitert. Beim Wärmeschutz wird jetzt der Neubaustandard nach EnEV 2009 erreicht und beim Primärenergiebedarf wird er um rund 50 Prozent unterschritten. Die strengen konservatorischen Raumklimaanforderungen an die Handschriftenbestände der Stadt Nürnberg werden durch energieeffiziente, weitgehend passive bauliche und minimierte anlagentechnische Maßnahmen eingehalten.

Die Stadtbibliothek Nürnberg ist nach eigenen Angaben die älteste städtische Bibliothek im deutschen Sprachraum. Durch die Zusammenlegung mit der bis dahin getrennt arbeitenden Stadtbücherei entstand ein modernes großstädtisches Bibliothekssystem. Für die Gebäude gilt der Ensembleschutz für die südliche Altstadt von Nürnberg. Mit Hilfe des Stadterneuerungsprogramms konnte 2003 ein Jahrzehnte dauerndes Ringen um die Einrichtung und Finanzierung einer Zentralbibliothek in Nürnberg beendet werden. Jetzt sollten die großen städtischen Bibliotheken, die Zentralbibliothek, die Bibliothek Egidienplatz und die Musikbibliothek unter einem Dach am Nürnberger Gewerbemuseumsplatz zusammengefasst werden.

Die südliche Altstadt ist mit der Volkshochschule, diversen Museen und Kultureinrichtungen sowie zwei größeren Kinos ein soziokulturelles Zentrum von Nürnberg. Es sollte mit dem geplanten Projekt städtebaulich aufgewertet werden. Das 1911 errichtete und nach weitgehender Zerstörung 1951 bis 1956 wieder aufgebaute Luitpoldhaus wurde von 2009 bis 2012 generalsaniert, umgebaut und erweitert. Der städtebauliche, baukonstruktive und energetische Zustand des Gebäudes war als vollkommen unzureichend zu bezeichnen. Mit der Sanierung und dem Umbau sollte die städtebauliche Situation, auch unter Berücksichtigung der denkmalschutzrechtlichen Belange, in der Altstadt Süd wesentlich aufgewertet werden. Die Funktionalität, die Behaglichkeit und der Komfort sollten für Besucher und die Mitarbeiter der Stadtbibliothek umfassend verbessert werden.

Einen besonderen Schwerpunkt bildet die Eingliederung des für die Stadt Nürnberg wichtigen Bestandes an mittelalterlichen Büchern und Handschriften. Mit der Generalsanierung entstanden ein Handschriftenlesesaal und Archivräume mit speziellen raumklimatischen Anforderungen. Die neue Zentralbibliothek umfasst zudem rund 690.000 Medien, davon 310.000 als Freihandbestand. Die Nettogrundfläche wurde von etwa 4.800 auf etwa 7.000 Quadratmeter erweitert. Die Energie- und Wasserkosten sollten, trotz Flächenerweiterung um etwa 47 Prozent, nicht ansteigen. Mit der Sanierung des Gebäudes sollte gezeigt werden, dass es auch unter sehr anspruchsvollen Ausgangsbedingungen wie Bestandssituation, Innenstadtlage, Denkmalschutz und speziellen Raumklimaanforderungen möglich ist, ambitionierte Energieeffizienzziele zu erreichen. Dabei sollten alle Anforderungen an Funktion und Nutzung, auch die spezifischen konservatorischen Ansprüche, qualitativ hochwertig realisiert werden.

Forschungsfokus

Die hohen Anforderungen an die raumklimatischen Bedingungen im Bibliotheksbereich sollten mit passiven baulichen Maßnahmen einschließlich hochwärme- und feuchtespeichernder Wandmaterialien erreicht werden sowie mit einer adiabatischen Kühlung und Entfeuchtung auf Absorptionsbasis. Hierzu wurden insbesondere die Feuchte- und Temperaturwerte, auch die der Bauteile, detailliert erfasst. Massive Bauweise, sehr gute Wärmedämmung, Solarkollektoren, Brunnenwasser zur Kühlung und RLT-Anlagen mit hocheffektiver Wärme- und Feuchterückgewinnung zeichnen das energetische Konzept aus. Wissenschaftlich untersucht wurde die Einhaltung der gestellten strengen raumklimatischen Anforderungen sowie die Verbesserung dafür notwendiger Prozesse. Als einer der wichtigsten Aspekte stellte sich hierbei die Analyse und Optimierung der Brunnenwasserkühlung heraus.

Sanierungskonzept

Zunächst wurde der Mittelbau des nördlichen Baukörpers abgerissen und ein neuer Zwischenbau eingefügt, um die Eingangssituation verbessern und den Freihandbereich erweitern zu können. Das Dachgeschoss wurde ebenfalls entfernt und der Baukörper um zwei Geschosse aufgestockt – dies entspricht der ursprünglichen Kubatur. Komplettiert wurden diese Arbeiten durch eine bauliche und anlagentechnische Komplettsanierung und den Anbau eines neuen Treppenhauses.

Bei dem Projekt wurden energieeffiziente Maßnahmen an der Gebäudehülle (Dämmung, Fenster) mit innovativer Anlagentechnik verknüpft. Die restauratorischen Ansprüche an Temperatur und Luftfeuchte in den Magazinen und im Lesesaal für mittelalterliche Handschriften stellten besondere Ansprüche an das bauklimatische Konzept. Eine massive Bauweise, sehr gute Wärmedämmung, Solarkollektoren, Brunnenwasser zur Kühlung und RLT-Anlagen mit hocheffektiver Wärme- und Feuchterückgewinnung zeichnen das energetische Konzept aus. Es wurde vorab per dynamischer Raumsimulation überprüft und optimiert.

Die Wände im Handschriftenbereich werden temperiert. Verlegung der Kapillarrohrmatten.
© Stadt Nürnberg, Hochbauamt
Die Wände im Handschriftenbereich werden temperiert. Verlegung der Kapillarrohrmatten.

Energiekonzept

Es erfolgte eine komplette anlagentechnische Sanierung. Das Gebäude erhielt eine sehr gute Wärmedämmung. Passive Maßnahmen zur Einhaltung der raumklimatischen Anforderungen sind zudem die massive Bauweise, die weitgehend opake Fassadengestaltung im Bereich der Handschriftenbereiche sowie der Einbau feuchtespeichernder Materialien. Für den Freihandbereich wurden großflächige Verglasungen geplant, die Sichtbeziehungen nach außen zulassen und effiziente Tageslichtnutzung gewährleisten. Die Handschriftenräume haben keine oder kleine Fensterflächen.

Zur Beheizung wird weiterhin Fernwärme genutzt. Über Kapillarrohrmatten in den Wänden werden die Handschriftenbereiche mit Grundwasser gekühlt. Das System wird außerdem genutzt, um den geringen Heizwärmebedarf zu decken. Das Grundwasser wird zudem zur Zuluftkühlung der Freihandbereiche und zur Kühlung der Büroräume im leichten Dachgeschoss über Kühldecken genutzt. Der Freihandbereich erhielt eine hocheffiziente Lüftungsanlage mit Wärme- und Feuchterückgewinnung. Die Handschriftenmagazine sind je mit sehr kleinen Lüftungsgeräten ausgestattet, die über Wärme- und Feuchterückgewinnung verfügen.

Das Herzstück des Konzepts für die übrigen Handschriftenräume ist ein spezielles Lüftungsgerät, welches mit dem Prinzip der sorptiven Entfeuchtung und adiabatischen Verdunstungskühlung arbeitet. Zur Regeneration der Salzlösung wird Solarwärme verwendet. Die 20 Quadratmeter große Solaranlage wird auch zur Heizungsunterstützung im Winter benutzt. Für die Auswahl und Dimensionierung der passiven und minimierten anlagentechnischen Maßnahmen zur Einhaltung der raumklimatischen Anforderungen wurden thermische und hygrische Raumklimasimulationen durchgeführt. Mit den Ergebnissen wurden die Leistungsparameter und Kennwerte der notwendigen anlagentechnischen Komponenten festgelegt. Strömungssimulationen und Betrachtungen zur Bauentfeuchtung und Trocknung der Handschriftenmagazine ergänzten die umfangreichen Voruntersuchungen. 

Performance und Optimierung

Die Magazin-Räume im 1. UG und 2. OG dienen als Lager für die mittelalterlichen Handschriften. Sie sind als außerordentlich sensibler Bereich nicht für den dauerhaften Aufenthalt von Personen konzipiert und werden nur über einen minimalen Luftwechsel konditioniert. Der Sollwert der relativen Raumluftfeuchte beträgt 50% ±5% und der Sollwert der Raumlufttemperatur 15 bis 22 °C über das ganze Jahr. Die Magazine verfügen über eine Wandtemperierung, deren Vorlauf-Solltemperatur wird stündlich von der Gebäudeleittechnik neu berechnet. Die Monitoring-Daten für das Jahr 2014 zeigen, dass die Sollwerte für die relative Raumluftfeuchte bis auf wenige Tage im Sommer eingehalten wurden. Die Raumlufttemperatur wurde ganzjährig eingehalten. Damit ist ein wesentliches Ziel des klimatischen Konzeptes erreicht worden.

Aufgrund des Monitorings wurden verschiedene Fehlfunktionen entdeckt, beispielsweise eine fehlerhafte Regelung der Brunnenpumpe, der Fußbodenheizung und der raumlufttechnischen Anlagen (RLT). Die Brunnenpumpe lief seit der Inbetriebnahme dauerhaft auf voller Leistung. Der Dauerbetrieb wirkte sich deutlich auf den Stromverbrauch aus. Seit Juni 2015 sind die Pumpenregelung und das Betriebskonzept optimiert. Ein erster Vergleich vom Juni 2014 und Juni 2015 zeigt, dass 75% Brunnenwasser eingespart wurde und der Stromverbrauch weniger als 20% des Vorjahresmonats betrug. Dies lässt erwarten, dass der Wasser- und Stromverbrauch künftig im Rahmen der Planung liegt.

Wirtschaftlichkeit

In der Planung wurde bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung der energetisch bedingten baulichen und anlagentechnischen Mehrkosten eine Amortisationszeit von etwa 17 Jahren kalkuliert.

Konstellation: Who is who?  
Bauherr Stadt Nürnberg, Hochbauamt
   
Gebäudetyp Stadtbibliothek
   
Baujahr des Gebäudes 1911/1956
Fertigstellung 2012
   
Flächengrößen/Maße  
Bruttogrundfläche (nach DIN 277) 8.446 m²
Beheizte Nettogrundfläche (für Nichtwohngebäude, in Anlehnung an DIN 277) 7.178 m²
Bruttorauminhalt 36.000 m³
Arbeitsplätze (oder Schüler oder vergleichbare Personenangaben) 100 Personen
Nutzfläche AN (nach EnEV) 7.178 m²
A/V-Verhältnis (ggf. vor / nach Sanierung) 0,29 (vor) ; 0,23 (nach) m²/m³

 

Energiekennwerte Bedarf        
  Neubau/nach Sanierung   vor Sanierung    
Heizwärmebedarf (Nutzenergiebedarf Wärme) 51,60 84,70 kWh/m²a  
Primärenergie Wärme 0,70   kWh/m²a  
Primärenergie Gesamt 58,10 236,00 kWh/m²a  
         
Energiekennwerte gemessen (Verbrauch)        
  Neubau/nach Sanierung vor Sanierung    
Endenergie Strom (Bilanzraum nach DIN V 18599) 31,00   kWh/m²a  
Endenergie Strom gesamt 44,10 67,00 kWh/m²a  
Endenergie Wärme 21,00 121,00 kWh/m²a  
Primärenergie Strom und Wärme (Bilanzraum nach DIN V 18599) 80,00 136,00 kWh/m²a  
Primärenergie Gesamt 80,00 181,00 kWh/m²a  
         
weitere spezifische Verbrauchsdaten für Beleuchtung, Klima, Lüftung etc.        
  Neubau/nach Sanierung vor Sanierung    
Strom für RLT-Anlagen 12,60   kWh/m²a  
Strom für Beleuchtung 13,90   kWh/m²a  
Strom für Brunnenpumpe 5,30   kWh/m²a  
Strom für sonstige Pumpen 1,00   kWh/m²a

 

Baukosten bzw. Sanierungskosten        
Kosten für die (Sanierung der) Baukonstruktion [KG 300] 1.454 EUR/m²    
Kosten für die (Sanierung der) Technischen Anlagen [KG 400] 636 EUR/m²    
         
Nutzungskosten        
Zeitraum von bis    
Nach Inbetriebnahme bzw. nach Sanierung 01.2014 12.2014    
         
  Neubau / nach Sanierung  vor Sanierung     
Energiekosten gesamt 10,35 18,27 EUR/m²a  
Heizenergie gesamt 1,22 7,08 EUR/m²a  
Strom gesamt 9,13 11,19 EUR/m²a

 

Zuletzt aktualisiert am:
12.07.2021

Stadtbibliothek Nürnberg – Umbau mit Generalsanierung

För­der­kenn­zei­chen: 0327431A

Projektlaufzeit
01.06.2007 31.12.2013 Heute ab­ge­schlos­sen

The­men

Sanierung von EinzelgebäudenHeizen, Lüften, KühlenTageslicht & BeleuchtungSolare WärmeWärme aus Erdreich, Grundwasser, AbwasserModellierung & SimulationBetriebsoptimierung

För­der­sum­me: 743.586,00 €

Kontakt

Koordination

Stadt Nürnberg - Bauverwaltung - Hochbauamt
http://www.nuernberg.de/internet/hochbauamt

Tel.: +49(0)911-231-42-00

Forschungsinstitut

Technische Hochschule Nürnberg, Institut für Energie und Gebäude - ieg
https://www.th-nuernberg.de/einrichtungen-gesamt/in-institute/institut-fuer-energie-und-gebaeude-ieg/

Tel.: +49(0)911-5880-1840

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Gebäude

Um Bedürfnisse ihrer Nutzer zu erfüllen, müssen Gebäude sich über geeignete Verglasungen, Fassaden und Systeme für das Luft- und Wärmemanagement an das Außenklima und die variierenden Nutzeranforderungen anpassen. Clevere Gebäudekonzepte und innovative gebäudetechnische Systeme bieten hierfür die notwendige Flexibilität.

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