Stadtwerke können in ihren Regionen Haupttreiber der Energie- und Wärmewende sein. Doch wie sollen sich diese ausrichten, damit der Wandel vor Ort gelingen kann? Im Projekt „TrafoSW“ haben Forschende genau das untersucht.

Bislang stützen die kommunalen Energieversorger ihr Geschäft auf ihre klassischen renditestarken Geschäftsbereiche. Dazu zählt vor allem der Vertrieb von Strom, Wärme und Gas. Doch jetzt sollen sie die Energiewende aktiv vorantreiben, und auch auf zukünftigen Märkten mit einer Vielzahl neuer Technologien und Dienstleistungen wirtschaftlich bestehen können. Dazu müssen sie sich einer technologisch-wirtschaftlichen Transformation unterziehen.

Expertinnen und Experten vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik haben die aktuelle Situation der Stadtwerke sowie die externen Einflüsse auf diese unter die Lupe genommen. Mit dem Blick auf aktuelle Trends modellierten und bewerteten sie technisch-wirtschaftliche Lösungsansätze, die die Umsetzung der Ziele der Energiewende beschleunigen können.

Zukunftsthemen in Angriff nehmen

Wichtige Themen sind die Digitalisierung, Sektorenkopplung und der Verteilnetzbetrieb. Joachim Krassowski vom Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik sagt dazu: „Bei den beteiligten Stadtwerken sieht man extrem viel Potenzial, zumindest Wärme und Strom zu koppeln. Hierbei geht es meistens um die klassischen Erzeuger wie KWK-Anlagen. Den Stadtwerken ist bewusst, dass man über die relativ gut zu speichernde Wärme Flexibilität im Strommarkt gewinnt.“

Auf dem Strommarkt sind die kommunalen Energieversorger wachsender Konkurrenz von großen Anbietern ausgesetzt. Gleichzeitig sehen sie hier für sich auch neue Möglichkeiten. „Dies liegt zum einen daran, dass der Strombedarf wächst. Aus Sicht der lokalen Energieversorger sind hierfür unter anderem die zunehmende Elektromobilität oder auch der vermehrte Einsatz von Wärmepumpen zu Heizzwecken verantwortlich. Viele Stadtwerke bieten neben dem Grundversorgungstarif noch viele eigene, innovative Stromprodukte an“, so Krassowski, der das Projekt „Trafo SW - Transformation von Stadtwerken als wichtige Säule der Energiewende“ leitet. Nicht zuletzt können die kommunalen Energieversorger durch ihre Lokalität punkten. Sie kennen besser als große Anbieter die Bedingungen – und die Menschen – vor Ort. „Stadtwerke fallen in der Regel nicht durch Skandale oder ähnliches auf. Das ist ein solider, verlässlicher Partner und das zählt für sehr viele Menschen“, fasst Krassowski zusammen.

Stadtwerke stehen noch am Anfang

Trotzdem zeigte sich im Projekt, dass die meisten Stadtwerke nach wie vor sehr konservativ agieren. Sie befinden sich in einem Spannungsfeld zwischen Gewinn- und Gemeinwohlorientierung und investieren eher in die Verbesserung alter Produkte, als sich neuen Technologien zu widmen. Ein zukunftsweisendes Umdenken hat die Branche noch nicht flächendeckend erfasst. Die dynamischen Entwicklungen der Energiewende erfordern allerdings innovative Lösungsansätze und neue Geschäftsmodelle.

Das Projekt TrafoSW wurde in drei Schritten durchgeführt. Zunächst analysierten die Forschenden den Status quo der Stadtwerke in Deutschland. Die Untersuchung hat gezeigt, dass es unter den rund 1.000 Versorgern in Deutschland nicht das „typische“ Stadtwerk gibt; stattdessen ist die Landschaft äußerst heterogen. Die Energieversorger unterscheiden sich etwa hinsichtlich ihrer Struktur und Unternehmensgröße. Faktoren, die für die finanziellen und personellen Ressourcen für eine Neuausrichtung und Transformation wesentlich sind. Das Spektrum reicht von kleineren Stadtwerken mit weniger als 100 Mitarbeitern bis hin zu Großunternehmen mit mehr als tausend Beschäftigten.

PV-Batteriespeicher, Quartiersprojekte und virtuelle Kraftwerke: modellhafte Ansätze für neue Tätigkeitsfelder

Damit die lokalen Energieversorger auf Trends und Herausforderungen reagieren können, modellierten die Expertinnen und Experten für sie im nächsten Schritt drei Lösungsansätze. „Wir haben uns für die am Projekt beteiligten Stadtwerke Soest GmbH, RheinEnergie Trading GmbH und die Stadtwerke Troisdorf GmbH gezielt eines ihrer Musterprojekte angeschaut und diese durchgerechnet und analysiert“, so Krassowski. Mit Optimierungsmodellen konnte sein Team viele Konzeptvarianten verbessern und eine technisch-wirtschaftliche Bewertung vornehmen.

Allgemein zeigte sich, dass nicht nur Marktpreise und Investitionskosten darüber entscheiden, ob eine Lösung wirtschaftlich und damit umsetzbar ist. Entgelte und Umlagen haben hierauf ebenfalls einen wesentlichen Einfluss. Dies wird insbesondere bei der doppelten Belastung der Photovoltaik-Batteriespeicher deutlich.

Hier untersuchten die Wissenschaftler, inwiefern der Vertrieb von PV-Batteriespeicherlösungen für ein Stadtwerk ein sinnvolles Angebot sein könnte. Während bisher PV-Anlagen üblicherweise ohne Speicher installiert wurden, erfährt das Thema in letzter Zeit durch die sinkenden Batteriekosten und gleichzeitig fallende Einspeisevergütungen in der Wahrnehmung potenzieller Kunden eine zunehmende Aufmerksamkeit.

Autarkiegrad und Eigenverbrauchsquote für ein Einfamilienhaus in Abhängigkeit von der Batteriespeichergröße
Autarkiegrad (blau) und Eigenverbrauchsquote für ein Einfamilienhaus in Abhängigkeit von der Batteriespeichergröße. (© Fraunhofer UMSICHT)

Das Thema „Quartiersprojekte“ untersuchten die Expertinnen und Experten auf Basis eines in Planung befindlichen Neubauquartiers. Für Stadtwerke ergeben sich bei Quartiersprojekten eine Vielzahl an möglichen Versorgungsoptionen und Dimensionierungen. Für das konkrete Quartier stellte sich insbesondere die Frage, ob eine zentrale oder dezentrale Versorgung mit Wärme vorteilhaft ist.

Übersicht der Modellierungen für ein Neubauquartier
Übersicht der Modellierungen für ein Neubauquartier (© Fraunhofer UMSICHT)

Bei den Modellierungen zum „virtuellen Kraftwerk“ integrierten die Forschenden die beiden bereits analysierten Fokusthemen „PV-Batteriespeicher“ und „Quartiersprojekte“. In beiden Fällen betrachteten sie flexible Energietechnologien, die auch in virtuellen Kraftwerken aggregiert am Markt agieren können. Es ging unter anderem darum, Flexibilitäts- und Erlöspotenziale abzuschätzen.

Übersicht der Modellierungen zur Einbindung von PV und Batteriespeichern in ein virtuelles Kraftwerk
© Fraunhofer UMSICHT
Übersicht der Modellierungen zur Einbindung von PV und Batteriespeichern in ein virtuelles Kraftwerk

 Es zeigte sich, dass die neuen Themenfelder mit den derzeitigen Möglichkeiten von Stadtwerken noch nicht kurzfristig als neue Produkte und Geschäftsfelder umgesetzt werden können. Außerdem erfordert die Bewertung einzelner Technologien oder Themen immer den Blick ins Detail unter Berücksichtigung der individuellen Situation des jeweiligen Energieversorgers. 

Viele Gespräche und Diskussionen

„Wir haben mit den Stadtwerken über den Gesamtkontext diskutiert. Es ging insbesondere darum herauszufinden, warum es schwierig ist, sich zu engagieren. Wir wollten wissen, wo die Hemmschuhe sind“, so Krassowski. Dazu führte das Projektteam unter anderem Veranstaltungen und Workshops durch. Hier zeigte sich, dass den kommunalen Energieversorgern noch der Überblick über zukünftige, nicht direkt mit den bisherigen Geschäftsbereichen verbundene Themen fehlt. Gleiches gilt für die Möglichkeiten zur Bewertung und Umsetzung von neuen Lösungsansätzen. Aufgrund der aktuellen Rahmenbedingungen erzielen die Stadtwerke nur geringe Mehrerlöse. Aus diesem Grund erscheint es für sie nicht sinnvoll, in die Entwicklung und Umsetzung von neuen Lösungsansätzen zu investieren. Neben finanziellen Mitteln stellen insbesondere auch die personellen Ressourcen ein Problem dar.

Ergebnisse

Aus aktueller Sicht, ist es noch eine große Herausforderung, die Stadtwerke intensiver an der Umsetzung der Energiewende zu beteiligen. Prinzipiell sind Technologien für einen erfolgsversprechenden Ansatz für die kommunalen Energieversorger vorhanden. Das hat das Projekt »TrafoSW« gezeigt. Allerdings hat es auch gezeigt, dass Stadtwerke aktuell noch an ihrem Kerngeschäft, dem reinen Vertrieb von Strom, Wärme und Gas festhalten. Aus ihrer Sicht hat dieses Priorität. Dazu zählen auch Themen, die die Kunden oder die Ansprache der Kunden und das Marketing sowie die Umsetzung regulatorischer Rahmenbedingungen (z.B. Smart Meter) betreffen.

Nach bisherigem Stand haben sich die kommunalen Energieversorger noch nicht optimal und zu-kunftsweisend in Richtung neuer Technologien aufgestellt. Für eine strategische Neuausrichtung müssten geeignete Datengrundlagen erhoben werden und Methoden und Modelle entwickelt werden.

Planungstool für individuelles Produktportfolio

Um herauszufinden, welches Portfolio für welches Versorgungsgebiet der Stadtwerke erfolgversprechend ist, muss eine Vielzahl an Technologielinien in Zusammenhang mit den örtlichen Rahmenbedingungen betrachtet werden. Das Folgeprojekt „SW.Developer“ von Fraunhofer UMSICHT in Kooperation mit den Stadtwerken Düsseldorf setzt genau hier an. Aktuell entwickeln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hier ein Planungshilfsmittel. Dieses kann die individuellen Besonderheiten und Potenziale des jeweiligen Versorgungsgebietes berücksichtigen und so einzelne Stadtwerke bei der Entwicklung eines erfolgversprechenden Produktportfolios unterstützen. Parallel zu der Entwicklungsarbeit und den Analysen ist eine Veranstaltungsreihe geplant: Stadtwerke sollen einen Einblick in die Projektergebnisse und -erfahrungen erhalten sowie aktuelle Themen und erfolgversprechende Lösungsansätze diskutieren. (bs/kka)

Zuletzt aktualisiert am:
15.10.2021

Stadtwerke für die Energiewende aktivieren

För­der­kenn­zei­chen: 03ET1518A

Projektlaufzeit
01.08.2017 31.01.2020 Heute ab­ge­schlos­sen

The­men

Heizen, Lüften, Kühlen, Quartier & Stadt, Energieplanung für Städte, Energiesysteme, Dezentrale Energieerzeugung, Stromnetze, Wärmenetze & Kältenetze, Betriebsführung & Energiemanagement, Erneuerbare Energien, Konzepte, Methoden & Werkzeuge

För­der­sum­me: 380.161 €

Kontakt

Koordination
Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT
https://www.umsicht.fraunhofer.de/

Tel.: +49(0)208-8598-0

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Energieversorgung in Gebäuden und Quartieren

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