05.04.2022 | Aktualisiert am: 05.04.2022

Sie ist 18 Meter lang, rund fünf Meter hoch und arbeitet hocheffizient: Am Rheinufer des Grosskraftwerks Mannheim baut das Mannheimer Energieunternehmen MVV eine Flusswärmepumpe. Diese entzieht dem Gewässer Wärmeenergie und nutzt sie, um Heizwasser zu erzeugen. Zum offiziellen Baustart trafen sich vor Ort rund 90 Teilnehmende aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft. 

Ein großer Teil der CO2-Emissionen in Deutschland entfällt auf die Wärmeversorgung. Großwärmepumpen können dazu beitragen, diese Werte zu verringern. Sie nutzen dazu Flusswasser oder die Abwärme von Kraftwerken als Wärmequelle und heben diese auf ein geeignetes Temperaturniveau. Anschließend wird die Wärmeenergie in Fernwärmenetze eingespeist (siehe Erklärbox unten "Was ist eine Großwärmepumpe?").

Eine solche Flusswärmepumpe kommt jetzt am Mannheimer Grosskraftwerk (GKM) zum Einsatz. Sie ist Teil des Reallabors der Energiewende „Großwärmepumpen in Fernwärmenetzen – Installation, Betrieb, Monitoring und Systemeinbindung“, welches das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit rund 21,3 Millionen Euro fördert. An insgesamt fünf unterschiedlich strukturierten Standorten in Deutschland installieren die verschiedenen Projektpartner Großwärmepumpen in bestehende Fernwärmesysteme. Ziel ist es, die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung voranzutreiben.

Baumaßnahmen starten im April

Der feierliche Spatenstich gestern leitet jetzt die Hoch- und Tiefbauarbeiten am Mannheimer Kraftwerk ein. Rund 90 Teilnehmende aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik trafen sich vor Ort. Gastredner waren Thekla Walker (Ministerin für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg), Dr. Peter Kurz (Oberbürgermeister der Stadt Mannheim), Dr. Hansjörg Roll (Technikvorstand MVV Energie AG) sowie Holger Becker (Kaufmännischer Vorstand GKM). Thekla Walker betonte, dass das Reallabor der Energiewende "Großwärmepumpen in Fernwärmenetzen" ein wichtiges Projekt sei, um die Verbreitung dieser Technologie auch an anderen Orten voranzutreiben, da in dem Mannheimer Vorhaben wichtiges Know-how gesammelt würde.

Nach der erfolgreichen Inbetriebnahme der Flusswärmepumpe plant das Mannheimer Energieunternehmen weitere Großwärmepumpen zu installieren. Hintergrund ist, dass MVV bis 2040 klimaneutral und danach klimapositiv werden möchte. Dazu sollen Mannheim und die Region bis 2030 auf eine klimaneutrale Fernwärmeversorgung umgestellt werden. Der Einsatz der Flusswärmepumpen ist hierfür ein wesentlicher Meilenstein. "Zu den grünen Technologien, mit denen wir die Wärme aus dem GKM nach und nach ersetzen, gehört ab 2023 auch die innovative Flusswärmepumpe", erläuterte MVV-Technikvorstand Dr. Hansjörg Roll.

Die Flusswärmepumpe soll im Frühsommer 2023 in Betrieb gehen. Im Anschluss startet eine etwa dreijährige Betriebsphase, in der vor allem Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen stattfinden. Die neue Großwärmepumpe soll Wärmeenergie für etwa 3.500 Haushalte liefern.

Fernwärmenetz profitiert von Wärmeenergie in Flusswasser

Am Mannheimer Standort wird mit einer thermischen Leistung von etwa 20 Megawatt eine der größten Wärmepumpen im Verbundvorhaben umgesetzt. Deren Leistung entspricht in etwa der von 2000 gängigen, in Haushalten installierten Wärmepumpen. Das EnergieunternehmenMVV geht davon aus, dass mit dem Einsatz der Anlage langfristig jährlich bis zu 21.000 Tonnen CO2 eingespart werden können.

Dazu bezieht die Wärmepumpe über ein Wassereinlaufbauwerk Flusswasser, welches unterirdisch zur Anlage gepumpt wird. Diese nutzt die dem Rheinwasser über Wärmetauscher entzogene thermische Energie und heizt damit Wasser aus dem Rücklauf des Fernwärmenetzes von 60 Grad Celsius auf bis zu 99 Grad Celsius auf. Das aufgeheizte Wasser wird dann direkt wieder ins Fernwärmenetz eingespeist oder im Wärmespeicher (1.500 Megawattstunden Kapazität) zwischengespeichert. Das durch die Wärmeabgabe am Wärmetauscher um etwa zwei bis fünf Grad Celsius abgekühlte Rheinwasser fließt anschließend wieder in den Fluss zurück.

Was ist eine Großwärmepumpe?

Abbildung einer Großwärmepumpe.
© 2020 Johnson Controls
Abbildung einer Großwärmepumpe.

Wie eine herkömmliche, dezentrale Wärmepumpe entzieht auch eine Großwärmepumpe einer externen Wärmequelle Wärmeenergie und gibt diese weiter. Der Unterschied: Die Abnehmer sind meist Fernwärmenetze, die mit höheren Temperaturen fahren als die Heizungsanlage im Einfamilienhaus. Die Großwärmepumpen müssen an diese Temperaturniveaus angepasst werden. Betriebsparameter wie Drücke, Temperaturen und teilweise auch Kältemittel unterscheiden sich deutlich von kleineren Wärmepumpen. Großwärmepumpen können im Vergleich zu dezentralen Wärmepumpen große natürliche Wärmequellen und industrielle Abwärmequellen mit hohem Energiepotenzial auf niedrigem Temperaturniveau nutzen. Oft liegen diese nicht in direkter Nähe der Wärmeverbraucher oder können von Einzelverbrauchern aufgrund ihrer Größe nicht erschlossen werden. Insbesondere in Gebieten mit hohem Wärmebedarf, die mit Fernwärme versorgt werden, ermöglichen Großwärmepumpen eine effiziente strombasierte Wärmeversorgung. Auf dem Fachportal industrie-energieforschung.de erhalten Sie weitere Informationen zum Thema Großwärmepumpen.

Großwärmepumpen auch an anderen Standorten

Auch an den vier weiteren Standorten des Reallabors GWP in Stuttgart (EnBW Energie Baden-Württemberg), Rosenheim (Stadtwerke Rosenheim) sowie Berlin-Neukölln (Fernheizwerk Neukölln) und Berlin-Köpenick (Vattenfall Wärme Berlin) errichten die jeweiligen Kraftwerksbetreiber und Energieversorger ihre Anlagen nah an bestehenden Wärmeerzeugerstandorten. Sie arbeiten dabei eng mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE und der Universität Stuttgart zusammen. Die Teams erproben vor Ort, wie die Großwärmepumpen effizient in die vorhandene Struktur integriert und ihr Betrieb optimiert werden kann. Neben technischen Erkenntnissen möchten die Expertinnen und Experten herausfinden, wie regulatorische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen angepasst werden müssen, um Großwärmepumpen besser im Fernwärmemarkt etablieren zu können.

Reallabore der Energiewende bringen Innovationen in die Praxis

Das Vorhaben GWP ist ein so genanntes Reallabor der Energiewende. Gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz werden hier innovative Technologien in der praktischen Anwendung unter realen Bedingungen und im industriellen Maßstab getestet. Die Reallabore betrachten das systemische Zusammenspiel von Energiebereitstellung und Energiebedarf auf der Ebene eines konkreten Quartiers oder einer oder mehrerer ausgewählter Städte. Manche erstrecken sich sogar über mehrere Bundesländer. Die in den Projekten gesammelten Erfahrungen können Fachleute anschließend nutzen, um den tiefgreifenden Umbau des Energiesystems in Deutschland entscheidend Richtung Klimaneutralität voranzubringen. Reallabore der Energiewende sind ein wertvoller Praxistest für Innovationen auf dem Weg in die energiewirtschaftliche Umsetzung und damit eine wichtige Unterstützung für den Erfolg der Energiewende.

Zum Thema „Energieoptimierte Quartiere“ sind mittlerweile fünf Reallabore der Energiewende gestartet:

DELTA – Darmstädter Energie-Labor für Technologien in der Anwendung

GWP – Großwärmepumpen in Fernwärmenetzen

IW3 – Integrierte WärmeWende Wilhelmsburg

TransUrban.NRW

SmartQuart – Smarte Energiequartiere

Auch im Bereich „Sektorkopplung und Wasserstofftechnologien“ starteten bereits fünf Reallabore der Energiewende. Einen Überblick über alle Vorhaben sowie weiterführende Informationen zum Thema finden Sie auf energieforschung.de. (bs)

Kontakt

Projektpartner
MVV Energie AG
https://www.mvv.de/de/

Tel.: 0711 126 0

©aryfahmed – stock.adobe.com

Klimaneutrale Wärme

Über die Hälfte der Energie in Deutschland nutzen wir, um unsere Häuser, Büros und Geschäfte zu heizen und um Wärme für Gewerbe und Industrie bereitzustellen. Der Übergang hin zu erneuerbarer Wärme, unvermeidbarer Abwärme und CO2-freien Brennstoffen muss organisiert werden.

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