Abwärme versorgt Stadtquartier
Wärme aus dem Abwasserkanal
Als alternative Wärmequelle zur Einsparung fossiler Energieträger ist die Abwasserwärme gerade für Kommunen eine interessante Option, denn sie verfügen über das alleinige Nutzungsrecht des in ihrem Gebiet anfallenden Abwassers. Um die Möglichkeiten zur Nutzung des Abwassers zur Wärme- und Kältegewinnung in Stuttgart bewerten zu können, gab die Stadt eine Studie in Auftrag. Die Analyse der Temperatur im Belebungsbecken des Stuttgarter Hauptklärwerks zeigte, dass selbst bei Kälteperioden die Temperatur mindestens 12°C beträgt. Das Abwasser, das mit mindestens 1.300 Litern pro Sekunde in die Stuttgarter Hauptkläranlage strömt, bietet das Potenzial für fast 11 Megawatt (MW) Heizleistung und jährlich rund 17 Gigawattstunden (GWh) Wärme.
Im Sommer ist es sinnvoll, das Kältepotenzial des Abwassers zu nutzen. Für einen wirtschaftlichen Betrieb sollten die Verbraucher im Umkreis von 300 Metern des Abwasserkanals liegen. Auf Basis dieser Kriterien wurde eine Abwasserwärme-Potenzialkarte für Stuttgart erstellt. Darin sind neben geeigneten Kanälen auch die städtischen Gebäude als Wärmebedarfsstellen eingetragen. Sieben Prozent der Abwasserkanäle Stuttgarts sind für die Wärme- und Kältenutzung geeignet. Neben der Potenzialermittlung hat die Landeshauptstadt Stuttgart seit 2011 bereits in Einzelobjekten zwei Projekte mit einer Leistung von 490 kW realisiert. 2016 soll die Versorgung des Stadtmuseums (160 kW) und des Katharinenhospitals/Klinikums Mitte (400 kW) folgen.
Energiekonzept Neckarpark
Das neue Stadtquartier Neckarpark auf der 22 Hektar großen Brachfläche des ehemaligen Güterbahnhofs Bad Cannstatt umfasst circa 450 Wohnungen, Hotels, Dienstleistungs- und Gewerbebetriebe. Es wird mit Gebäuden realisiert, die aufgrund einer hochwertigen Auslegung der Gebäudehülle und der technischen Ausrüstung nur geringe Energiebedarfe aufweisen. Seit kurzem kommen weitere Nutzungen wie eine Sportklinik, ein Sportbad und ein Mehrgenerationenhaus hinzu. Zudem soll das Versorgungsgebiet um zwei Hotels ergänzt werden. Verbunden mit dem dadurch erhöhten Brauchwarmwasserbedarf auf über 50 % des Wärmebedarfs macht vor allem die mit der EnEV 2014 erfolgte Anpassung der Primärenergiefaktoren eine Überprüfung der energetischen Gesamtanforderungen für das Quartier notwendig. Künftige Bauherren sollten ursprünglich verpflichtet werden, die Anforderungen der EnEV 2009 um mindestens 45 % zu unterschreiten (KfW-Effizienzhaus 55).
Eine Realisierung des Neckarparks als Niedrigenergie-Siedlung würde es erlauben, die Vorlauftemperaturen des geplanten Wärmenetzes auf 30°C oder weniger abzusenken. Das ermöglicht eine großflächige Nutzung der Abwasserwärme. Dazu sind unterschiedliche Wärmetauscher-Systeme in der Lage: kanalintegriert und als Bypass. In 2015 entschied sich die Stadt Stuttgart für den Einsatz eines Rinnenwärmetauschers, das heißt eines Wärmetauschers im Kanal mit einer Entzugsleistung von 2.100 kW. Die Einsatzbedingung: Die Fließgeschwindigkeit des Abwassers muss ausreichend hoch sein, um Ablagerungen zu verhindern oder sie abzuspülen. Dies setzt ein Gefälle von mindestens 0,1 % voraus. Die Energie des Abwassers soll durch den Rinnenwärmetauscher entzogen und in ein Niedrigtemperatur-Nahwärmenetz eingespeist werden. Die Wärme zur Warmwasserbereitung soll in einer Heizzentrale mittels Blockheizkraftwerk erzeugt werden. Das Wärmenetz wird als 4-Leiter-Netz ausgeführt: Vor-/Rücklauf für Niedertemperatur-Raumwärme und Vor-/Rücklauf für Heißwasser zur Warmwasserbereitung. Ein so optimiertes Gesamtsystem "Wärmeversorgung/Gebäude" mit Einbindung regenerativer Energien könnte auch zur flächigen Ausdehnung der Fern- beziehungsweise Nahwärme in Gebieten mit niedriger Wärmedichte genutzt werden.
Die Energiezentrale und das Wärmenetz des neuen Stadtquartiers werden im Jahr 2016 gebaut. Die Abwasserwärmenutzung soll 2018 in Betrieb gehen.