Bei der Wärmewende sollten Gebäude- und Quartiersebene ineinandergreifen. Entsprechend gilt es, bei der kommunalen Wärmeplanung und ihrer Umsetzung private Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer mitzunehmen und für energetische Sanierungen zu mobilisieren. Wie dies strukturiert möglich ist, zeigt das Vorhaben „Drei Prozent Plus“.

 

Rund 44 Prozent der Wohneinheiten in Deutschland befinden sich in Ein- und Zweifamilienhäusern (Quelle: Gebäudereport 2022, dena). Diese etwa 16 Millionen Gebäude gehören zu großen Teilen Privatpersonen oder Wohnungseigentümer-Gemeinschaften. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, müssen diese nicht-gewerbsmäßigen Eigentümerinnen und Eigentümer für energetische Gebäudesanierungen mobilisiert werden.

„Blickt man auf den Gesamtbestand, ist es wichtig, die heterogenen Bestände von Einzeleigentümerinnen und -eigentümern, Kleinvermietenden und Selbstnutzenden in den Fokus zu rücken“, betont Hauke Meyer, politischer Referent beim Deutschen Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung (DV). Er ist einer der Projektleiter des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Verbundforschungsprojekts „Drei Prozent Plus“.

In dem Vorhaben hat die B.&S.U. Beratungs- und Service-Gesellschaft Umwelt mbH als Verbundpartner gemeinsam mit kommunalen Praxispartnern vier beispielhafte Sanierungsfahrpläne für die Quartiere Ludwigsburg-Schlösslesfeld (Baden-Württemberg) sowie Eschweiler-Nothberg, Roetgen und Aachen-Brand (alle Städteregion Aachen) entwickelt und umgesetzt.

Im Rahmen dessen haben sie einen allgemeingültigen Handlungsleitfaden für die Prioritätensetzung und Umsetzung solcher langfristigen Quartierssanierungsfahrpläne erstellt. Diesen können nun auch andere Kommunen in der Praxis einsetzen.

„Dabei geht es auch darum, die klimaneutrale Wärmeversorgung vom Klimaziel 2045 her zu denken: Wie soll diese für das jeweilige Quartier gelingen? Welche Quartiere werden zunächst priorisiert und aus welchen Gründen? Welche Partner und Maßnahmen tragen kurzfristig explizit zur Mobilisierung bei?“, so Meyer. Während kommunale Wärmepläne die Wärmewende für die ganze Kommune vorzeichnen, können quartiersbezogene Sanierungsfahrpläne die kleinteilige Umsetzung unterstützen und sollen helfen, die vielen Eigentümerinnen und Eigentümer in ihren unterschiedlichen Lebenslagen mitzunehmen. [Hier gelangen Sie zum ausführlichen Interview mit Hauke Meyer.]

Was ist ein Sanierungsfahrplan?

Allgemein ist ein Sanierungsfahrplan ein Maßnahmenpaket, das auf eine langfristige und ganzheitliche Sanierung abzielt. Dieser kann zur energetischen Sanierung von Gebäuden und zur Umsetzung der Energiewende auf Quartiersebene eingesetzt werden. Der energieeffiziente Sanierungsfahrplan für kommunale Quartiere (SFQ) ist ein neues Instrument für Gemeindeverwaltungen. Er unterstützt diese dabei, einzelne private Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer zur energetischen Sanierung zu motivieren und zu informieren. Mit dem SFQ sollen durch die Kombination von effizienten und wirtschaftlich realisierbaren Einzelmaßnahmen sowie Komplettsanierungen eine durchschnittliche jährliche (Voll)-Sanierungsquote von drei Prozent des Bestands erreicht werden.

„Drei Prozent Plus“ liefert konkrete Handlungshilfen

Das Vorhaben „Drei Prozent Plus“ stellt Kommunalverwaltungen und Lokalpolitik Hilfen zur Auswahl und Priorisierung von für Sanierungsfahrpläne geeigneten Quartiere zur Verfügung. Außerdem liefert es Ansätze zur Klassifizierung der Eigentümerstruktur vor Ort. Direkt zu Beginn sollte die Federführung laut den Expertinnen und Experten von „Drei Prozent Plus“ bei der Kommune liegen, je nach Organisationsform etwa bei der Stadtentwicklung, der Klimaleitstelle/Umweltamt oder im Bauamt. Die Umsetzung des Sanierungsfahrplans sollten die Gemeinden gemeinsam mit relevanten Akteurinnen und Akteuren vor Ort organisieren.

Eine Grafik zeigt die methodische Vorgehensweise für die Umsetzung der Sanierungsfahrpläne im Projekt „Drei Prozent Plus“
©B.&S.U. GmbH
Methodische Vorgehensweise für die Umsetzung der Sanierungsfahrpläne im Projekt „Drei Prozent Plus“

Das Vorhaben zeigte unter anderem, dass kommunale Aktionspläne wie der SFQ vor allem Personen erreichen, die für eine Modernisierung ihres Eigenheims aufgeschlossen sind und bei Nutzung der bestehenden Fördermöglichkeiten über ausreichend finanzielle Mittel verfügen. Ein Mangel an technischem und regulatorischem Wissen kann hier aber die Entscheidung für eine Sanierung verhindern oder verzögern. Aus diesem Grund raten die Projektpartner, in Quartieren mit Gebäuden und Wärmeanlagen mit einem höheren Sanierungsbedarf, Informations- und Kommunikationsformate im niedrigschwelligen Bereich vor Ort aufzubauen.

Sanierungs- und Beratungsnetzwerke können ebenfalls dazu beitragen, dass Eigentümerinnen und Eigentümer sich für eine energetische Sanierung entscheiden. Ein wichtiger Akteur ist auch hier die Kommune. Sie genießt meist das Vertrauen der privaten Immobilienbesitzenden und hat Möglichkeiten, die Umsetzer der Energiewende, wie Handwerksbetriebe, Energieversorger, Energieberater und Planungsbüros zusammenzubringen, zu vernetzen und in eigene städtebauliche und weitere Strategien einzubinden.

Sanierungsfahrpläne in Kommunale Wärmeplanung einbinden

Die Grafik zeigt Kommunalinterne und -externe Erfolgsfaktoren für den Aufbau von energetischen Sanierungsnetzwerken und Beratungsstrukturen
©DV
Kommunalinterne und -externe Erfolgsfaktoren für den Aufbau von energetischen Sanierungsnetzwerken und Beratungsstrukturen

Kommunen werden zukünftig bei der Wärmeplanung priorisieren, welche Quartiere sich eignen, um sie an bestehende Fernwärmenetze anzuschließen, zum Beispiel aufgrund ihrer Dichte oder aufgrund vorhandener Ankerkunden und Abwärmeproduzenten. Auch bei kleineren Nahwärmenetzen spielt dies eine Rolle. Um klimaneutral zu werden, bedarf es dabei der engen Zusammenarbeit mit Stadtwerken und Energieversorgern. „Frühe Kommunikation und Partizipation sind hier wichtig. Denn für Eigentümerinnen und Eigentümer ist es entscheidend zu wissen, ob zum Beispiel langfristig eine Erweiterung netzgebundener Versorgungslösungen in ihrem Quartier geplant ist oder ob sie bei der Sanierung ihrer Gebäude perspektivisch auf eine individuelle Lösung setzen sollen“, so Meyer.

Die technologischen und wirtschaftlichen Optionen für einen Netzanschluss liegen aber in vielen typischen Einfamilienhaus-Stadtrandsiedlungen und Wohngebieten im ländlichen Raum nicht vor, da z.B. Ankerkunden und Dichte fehlen. Zum Beispiel für diese Quartiere lassen sich mit Hilfe des neuen Instruments des energetischen Quartierssanierungsfahrplans kontinuierliche Informations- und Kommunikationskampagnen und ein gutes neutrales Angebot niedrigschwelliger Vor-Ort-Beratung aufbauen und umsetzen.

Die Stadt Aachen hat für Eigentümerinnen und Eigentümer einen Beratungsverbund mit unterschiedlichen Zuständigkeiten aufgebaut. Der auf städtische Initiative gegründete Verein altbau plus übernimmt die Erstberatung, die Verbraucherzentrale NRW die Vor-Ort-Beratung und das regionale Beratungszentrum effeff.ac die Vermittlung von Handwerks- und Planungsleistungen. Dadurch soll Sorge getragen werden, dass die Interessenten den Beratungs- und Sanierungsprozess nicht vorzeitig verlassen, sondern bis zum Ende durchlaufen. altbau plus übernimmt mittlerweile (aufbauend auf die Aktivitäten im 3 % plus-Projekt) Erstberatungen und Informationsveranstaltungen in mehreren Kommunen und Quartieren in der Städteregion Aachen und fungiert als neutrale Anlaufstelle für die Themen energetische Sanierung und Energieeffizienz.

Die Stadt Ludwigsburg hat im Jahr 2020 unter der Kampagne „Wir Energiewender“ verschiedene Dekarbonisierungsaktivitäten gestartet, einschließlich der energetischen Sanierung von Wohnungen und Gebäuden. Die Stadt bietet dabei bis zu fünf Jahre lang Informationsveranstaltungen und Aktionen in den Quartieren des Sanierungsmanagements und des 3% plus-Projektes an. Eigentümerinnen und Eigentümer können sich zusätzlich im eigenen Gebäude zum Klimaschutz beraten lassen. Diese kostenlose Unterstützung erhalten sie durch Energieberatende der Energieagentur LEA. Darüber hinaus unterstützt das Sanierungsmanagement Sanierungs- und Modernisierungsvorhaben. Dafür hat es 2021 Sanierungsleitlinien für Energieberatende, Ingenieurs- und Architekturbüros sowie Handwerksbetriebe herausgegeben.

Digitale Tools unterstützen Sanierungen in Quartieren

Gemeinsam mit den Projektpartnern entwickelte die Hochschule für Technik Stuttgart zwei digitale Tools, um die Umsetzung von Sanierungen in Quartieren zu unterstützen. Das erste Tool richtet sich an Wohnungseigentümer-Gemeinschaften (WEG-Tool). Es dient dazu, Daten für den kommunalen Gebäudebestand bei Eigentümerinnen und Eigentümern, Betreibern und Energieversorgungsunternehmen niedrigschwellig zu erheben. Im Crowdsourcing-Tool („CS-Tool“) werden diese schließlich genutzt, um verschiedene Sanierungsszenarien technisch zu analysieren und ökologisch sowie ökonomisch zu bewerten.

Nähere Informationen zu diesen Tools sowie zum gesamten Vorhaben liefert die Projektabschlussbroschüre, die Sie hier herunterladen können (pdf). (bs)

Zuletzt aktualisiert am:
15.08.2023

EnEff:Stadt: Drei Prozent Plus

För­der­kenn­zei­chen: 03ET1635A-C

Projektlaufzeit
01.01.2019 31.01.2023 Heute ab­ge­schlos­sen

The­men

Gebäudesanierung, Energieeffizienz, Sanierungsfahrplan

För­der­sum­me: ca. 1.395.671,00 €

Kontakt

Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V.
https://www.deutscher-verband.org

030- 20 61 32-50

©photo 5000 - stock.adobe.com

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