09.10.23 | Aktualisiert am: 11.10.2023

Um Solarthermie für die Industrie noch günstiger zu machen, entwickeln Forschende im Projekt Modulus eine standardisierte Übergabestation für solare Prozesswärme. Getestet wird diese in einer belgischen Fabrik.

Im belgischen Turnhout steht neuerdings die mit über 5500 Quadratmetern Kollektorfläche größte Parabolrinnenanlage Europas für industrielle Prozesswärme. Sie versorgt ein Werk des Klebeprodukte-Unternehmens Avery Dennison mit klimafreundlicher Prozesswärme.

Solarthermie hat großes Potenzial, Emissionen in Industrie und Gebäudesektor zu senken – aber die Prozesswärmeanlagen bringen im Vergleich zu fossilen Alternativen hohe Investitionskosten und noch zu lange Amortisationszeiten mit sich. Individuelle Planung und Einzelanfertigung trägt überproportional zu diesen Kosten bei. Mit einer standardisierten, modularen Leistungsübergabestation wollen Forschende diesen Nachteil beheben und die Integration von Solarwärme in industriellen Prozesswärmeanlagen vereinfachen.

Deshalb startete vor zwei Jahren das Forschungsprojekt Modulus. Modulus steht dabei für „Modulare Leistungsübergabestation“; und genau das wollen die Forschenden entwickeln: eine standardisierte und modulare Leistungsübergabestation für solare Prozesswärmeanlagen. Diese soll als Schnittstelle zwischen dem Solarkollektorfeld und dem industriellen Prozesswärmesystem dienen und in drei realen Anlagen getestet werden.

Infotipp:

Die Webseite solare-prozesswärme.info bietet weiterführende Informationen und viele Anwendungsbeispiele zum Einsatz von Solarthermie in Industrie und Gewerbe.

Die Übergabestation für die erste Anlage wurde nun Anfang September in Betrieb genommen. Dass es drei geben wird, liegt daran, dass drei Kollektorhersteller beim Projekt an Bord sind: Solarlite, Industrial Solar und Protarget. Sie wollen unterschiedliche Leistungsgrößen, Temperaturniveaus und kundenseitige Wärmeträgermedien integrieren. Jedes Unternehmen stellt eine solare Prozesswärmeanlage bereit, in welcher eine Übergabestation integriert und getestet werden soll.

Außerdem sind mit dem Koordinator des Projekts, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und dem Fraunhofer ISE zwei Forschungseinrichtungen und mit AURA, dem Hersteller der Übergabestation, ein Anlagenbauer an der Entwicklung der Leistungsübergabestation beteiligt.

So funktioniert die Anlage in Turnhout

Das Solarfeld erzeugt Wärme von bis zu 380 Grad Celsius; die Parabolspiegel konzentrieren dazu die Sonnenstrahlen und lenken sie auf mit Thermoöl durchflossene Receiverrohre. Diese Wärmeenergie wird über die Übergabestation auf einen weiteren Kreislauf übertragen - hier Thermoöl (aber auch Dampf oder Luft möglich, je nach Ansprüchen der industriellen Prozesse), welches die Wärme zu den Trocknungsöfen der Produktionslinien leitet.

Die Übergabestation wird auch „Balance of Plant“ (BoP) genannt, was in der Energietechnik die Komponenten beschreibt, die zusätzlich zur Energieerzeugungseinheit benötigt werden, um die Wärme vom Solarkreislauf auf das industrielle Prozesswärmesystem zu übertragen. Die BoP umfasst hierbei Wärmeübertrager, Pumpen, Rohrleitungen, Ventile und andere hydraulische Komponenten, Sensoren und Anzeigen, Kabelbahnen und elektrische Komponenten sowie Steuerungs- und Überwachungshardware. Hier eine Standardisierung und Modularität für vorgefertigte Lösungen herzustellen, ist das Hauptziel von Modulus.

Über zwei Gigawattstunden Gas eingespart

Welches Potenzial Solarthermie hat, zeigt die Anlage von Avery Dennison: Im Solarfeld erwartet das Unternehmen einen Ertrag von 2,7 Gigawattstunden, die künftig 2,3 Gigawattstunden Erdgas ersetzen. Die Treibhausgasemissionen des Werks sollen damit jährlich um durchschnittlich neun Prozent sinken. In den Sommermonaten und bei hoher Sonneneinstrahlung wird die Anlage bis zu 100 Prozent des Wärmebedarfs des Werks decken.

Speicher sollen den Zeitraum, in dem solare Energie genutzt werden kann, weiter vergrößern. Für Robert Pitz-Paal, Direktor des DLR-Instituts für Solarforschung, belegt die Anlage in Turnhout, „dass konzentrierende Solartechnik auch unter den solaren Bedingungen von Mitteleuropa hohe Temperaturen für Produktionsprozesse erzeugen kann.“

Die Ergebnisse von Modulus wollen die Forschenden in Fachpublikationen veröffentlichen und international im Task 64/IV „Solar Process Heat“ des Netzwerks Solar Heating and Cooling beziehungsweise SolarPACES der Internationalen Energie Agentur (IEA) präsentieren.

Kontakt

Koordination

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V.
Institut für Solarforschung
Tel.: 02203 601-4153

Webadresse

Das Informationssystem EnArgus bietet Angaben zur Forschungsförderung, so auch zu diesem Projekt.
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