18.05.2022 | Aktualisiert am: 30.05.2022

Wie können Wärmepumpen effizienter werden? Welche Wärmequellen können optimal zusammenspielen? Wie kommen neue Technologien in die Anwendung? Mögliche Antworten auf diese Fragen haben Vortragende auf einer Veranstaltung der Berliner Energietage vorgestellt.

Angesichts drohender Engpässe in der Energieversorgung muss auch die Wärmewende in Kommunen und Städten noch schneller umgesetzt werden. Akteurinnen und Akteure aus der angewandten Energieforschung haben die für eine erfolgreiche Wärmewende relevanten Themen schon seit Jahren erprobt, erforscht und zum Teil in die Praxis übertragen. Konkrete Beispiele für die Umsetzung vor Ort waren ein Thema der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) durchgeführten Veranstaltung „Wärmepumpen urban gedacht – Energieforschung für die Wärmewende“, die Anfang Mai auf den Berliner Energietagen stattfand.  Klassische Niedertemperaturwärme, Kalte Nahwärme sowie kommunale Wärmeplanung spielten dabei eine wichtige Rolle.

 „Technologien, die gestern noch in der Forschung waren, müssen wir jetzt sehr schnell aus den Laboren in die Marktnähe bringen, damit wir eine sichere, bezahlbare und erneuerbare Wärmeversorgung sehr viel schneller auf die Beine stellen können“, sagte Christian Maaß, Leiter der Abteilung Energiepolitik - Wärme und Effizienz im BMWK. Der Stellenwert der Wärmeforschung und speziell der Wärmepumpe sei deutlich gestiegen. „Deswegen werden wir die Wärmeforschung neu ausrichten und uns den ausstehenden Aufgaben widmen.“

„Die beste Kilowattstunde ist die, die gar nicht verbraucht wird!“

Neben der Weiterentwicklung von Wärmetechnologie, ist es auch wichtig, den Wärmeverbrauch zu reduzieren, um die Wärmewende voranzutreiben. Auf diesen Aspekt ging Anja Bierwirth vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie ein: „Die beste Kilowattstunde ist die, die gar nicht verbraucht wird!“ In ihrer Keynote betonte sie, dass sich zwar die Energieeffizienz verbessert habe und dadurch der Raumwärmebedarf gesunken sei. Jedoch sei trotz generellem Wohnungsmangel die Wohnfläche pro Kopf gestiegen. Damit bleibe der Endenergieverbrauch insgesamt auf vergleichbarem Niveau. Kommunale Wärmeplanung sei essenziell, um Wärmequellen zu lokalisieren, Wärmebedarf zu erkennen und gezielter Investitionen zu machen. So könne die Wärmewende effizienter geplant und beschleunigt werden.

CO2-arme Wärmenetze für ehemalige Braunkohlereviere

Während der Veranstaltung wurden bereits laufende Quartiersprojekte vorgestellt. Beispielsweise zeigte Jörg Friedrich Paulus von Avacon Natur, wie im BMWK-geförderten Reallabor der Energiewende TransUrban.NRW , Niedertemperatur-Wärmenetze in ehemaligen Braunkohlerevieren umgesetzt werden können. Vier nordrhein-westfälische Stadtquartiere in Gelsenkirchen, Mönchengladbach, Erkrath und Herne sind an dem Projekt beteiligt. Die Quartiere bringen unterschiedliche strukturelle Voraussetzungen mit: reine Neubaugebiete, Bestandsquartiere, Wohn- oder Büroviertel. Zudem stehen verschiedene Wärmequellen zur Verfügung. Dadurch können im Rahmen des Projekts unterschiedliche Konzepte erprobt werden.

Wärme- und Kälteversorgung miteinander kombiniert

Das Stadtquartier Shamrockpark in Herne beispielsweise besteht aus einem 50.000 Quadratmeter großen Bestandsquartier mit zum Teil denkmalgeschützten Häusern aus den 1960er und 1970er Jahren und einem ebenso großen Neubaugebiet. Heute befinden sich in den Bestandsgebäuden Büros. Zukünftig sollen hier ein Hotel, ein Rechenzentrum und ein Gesundheitszentrum entstehen, während im Neubaugebiet Wohnhäuser gebaut werden.

Das Energiekonzept sieht zwei Besonderheiten vor: Aus einem nahegelegenen Chemiepark wird industrielle Niedertemperaturabwärme von etwa 25 °C über eine Wärmepumpe in das Wärmenetz eingespeist. Dazu wird die Abwärme zunächst gespeichert und dann über ein kaltes, ungerichtetes Netz mit starren Leitertemperaturen in die Gebäude geleitet. Der warme Leiter hat dabei eine Temperatur von 22 °C, die Temperatur des kalten Leiters liegt bei 12 °C. Liefert der warme Leiter in einem Gebäude Wärme, so kühlt er sich dabei auf 12 °C ab. Damit kann anschließend in einem anderen Gebäude gekühlt werden. Der Leiter erwärmt sich dadurch wieder auf 22 °C. Dieser Ausgleichseffekt der Energieströme innerhalb und zwischen den Gebäuden als Gesamtsystem soll mit Hilfe von Digitalisierung soweit optimiert werden, dass möglichst wenig Abwärme und Strom genutzt werden müssen. Insbesondere in Bestandsgebäuden sieht Jörg Friedrich Paulus große Potenziale für die Zukunft. Die Bestrebungen sollten dahin gehen, die Vorlauftemperaturen zu senken.

Erdeisspeicher liefern ganzjährig Wärme und Kälte

Zu den weiteren Projekten, die auf der Veranstaltung vorgestellt wurden, zählte das vom BMWK geförderte Vorhaben ErdEis II. Hier entwickeln die Projektmitarbeitenden einen neuartigen Erdeisspeicher. Dieser besteht aus mehreren übereinander gestapelten Kollektoren, die ganzjährig Wärme oder Kälte für Wärmepumpen liefern können. Die Verteilung der Wärme beziehungsweise Kälte innerhalb des Quartiers in Schleswig erfolgt mit Hilfe eines Kalten Nahwärmenetzes. In Oberhausen erforschen Mitglieder des Projekts QUENTIN , wie innerhalb eines Nahwärmenetzes zentrale Wärmespeicher in der Energiezentrale und dezentrale Wärmespeicher in den Häusern zusammengeschaltet werden müssen, um Speicherverluste zu minimieren.

Kommunale Wärmeplanung

Kommunen sind Schlüsselakteure, wenn es darum geht, Quartierskonzepte und energiepolitische Ziele umzusetzen. Um sie zu unterstützen, hat Fraunhofer UMSICHT die Veranstaltungsreihe SW.aktiv gegründet. Sie richtet sich neben Kommunen auch an Stadtwerke, Unternehmen und Forschungseinrichtungen und soll diese Akteure vernetzen und zur Transformation der Energieversorgung ermutigen. Ein Ergebnis der Veranstaltungsreihe war, dass kommunale Wärmeplanung die Planungs- und Investitionssicherheit erhöht. Als Praxisbeispiel stellte Gordon Appel die Stadtwerke Konstanz vor, die mit der Kommune Konstanz und mit Kreuzlingen (Schweiz) eng zusammenarbeiten. Dadurch lassen sich Synergien zur Umsetzung der Wärmeplanung nutzen und Abwärmequellen wie die Seewasserwärme des Bodensees überregional optimal einbinden. Ein weiterer wichtiger Punkt bei der kommunalen Wärmeplanung sei die Kommunikation mit den Bürgerinnen und Bürgern, um Akzeptanz zu schaffen und Hemmnisse abzubauen, so Dr. Anne Hagemeier von Fraunhofer UMSICHT.

Digitaler Zwilling für die Wärmeplanung

Wie Wärmeplanung in der Praxis digital umgesetzt werden kann, stellte das Startup heatbeat vor. So kann das Startup mit Hilfe eines digitalen Zwillings sowohl für Neubauten als auch für Bestandsgebäude vorausberechnen, welche Auswirkungen Temperaturveränderungen im Netz haben. Auf diese Weise können unterschiedliche Varianten aus der kommunalen Wärmeplanung schnell bewertet und die nächsten Planungsschritte schnell angegangen werden.

Wie die kommunale Wärmewende im ländlichen Raum gelingen kann, stellte das Unternehmen enable energy solutions vor. Im Projekt KoWa entwickelt es Abwärme-basierte Wärmenetze in kleineren, industriell geprägten Kommunen im Landkreis Osnabrück. Durch die Nutzung von Synergien zwischen Kommunen und der Industrie kann hier die Dekarbonisierung sowohl der Prozesswärme als auch der kommunalen Wärmenutzung vorangebracht werden.

BMWK bereitet Wärme-Call vor

Dr. Rodoula Tryfonidou, Leiterin des Referats Energieforschung – Grundsatzfragen und Strategie im BMWK, während ihres Vortrags auf den Berliner Energietagen
Dr. Rodoula Tryfonidou (BMWK) ©Nils Lucas / ENERGIETAGE

Im Schlusswort kündigte Dr. Rodoula Tryfonidou, Leiterin des Referats Energieforschung – Grundsatzfragen und Strategie im BMWK, an, eine Forschungsinitiative Wärmewende auf den Weg zu bringen, um diesem Thema mehr Gewicht zu geben. Schon vor Beginn der Initiative wird ein umfassender Wärme-Call erfolgen, der alle Energieforschenden aufruft, ihre für die Wärmewende relevanten Forschungsthemen einzubringen. Zudem werde die Förderung von Mikro-Projekten auf den Weg gebracht, um die Forschung für die Wärmewende zu beschleunigen.

Informationen zur Veranstaltung

Unter dem Titel „Wärmepumpen urban gedacht - Energieforschung für die Wärmewende“ fand die Veranstaltungsreihe des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz am 4. Mai 2022 im Rahmen der Berliner Energietage statt. Ein Video mit der vollständigen Veranstaltung finden Sie auf youtube. (kst)