Um unseren Gasbedarf zu decken, liefern momentan Tankschiffe aus verschiedenen Regionen der Welt verflüssigtes Erdgas (LNG) an Terminals in Deutschland. Ein alternativer Energieträger ist klimaneutral erzeugtes Biomethan. Wie deren Herstellung am Rheinhafen Karlsruhe funktionieren könnte, haben Forschende als lokale sektorübergreifende Betrachtung eines Energiequartiers untersucht.

Um von Gaslieferungen aus Russland unabhängiger zu werden, setzt die Bundesregierung momentan verstärkt auf Importe von Flüssiggas. Dieses wird größtenteils aus dem fossilen Energieträger Erdgas gewonnen. Doch auch mit dem Einsatz von erneuerbarer Energie lässt sich Flüssiggas erzeugen. Die Basis hierfür ist Biomethan. Bisher ist dessen Einsatz vor allem im Fahrzeugbereich vorgesehen. So ist es momentan technisch und wirtschaftlich noch nicht möglich, mit rein elektrisch angetriebenen Fahrzeugen, schwere Lasten über lange Strecken zuverlässig und CO2-neutral zu transportieren. Auf Basis von erneuerbarem Strom hergestellte synthetische Kraftstoffe, wie etwa Methan, bieten hier eine vielversprechende Alternative. Doch das flüssige Biomethan ist auch für Heizzwecke geeignet und kann in deutsche Erdgasnetze eingespeist werden.

„Insgesamt ist die Verflüssigung von Biomethan wirtschaftlicher als die von konventionellem Erdgas.“ (Wolfgang Köppel, DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut des KIT)

Aber wie kann dieses klimafreundlich und wirtschaftlich hergestellt und genutzt werden? Dieser Frage haben sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter Leitung der Forschungsstelle des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) am Engler-Bunte-Institut des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) im Vorhaben MethGrid (Erzeugung und Einsatz von Methan aus erneuerbaren Quellen in mobilen und stationären Anwendungen) gewidmet. In dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Projekt haben sie untersucht, wie auf Quartiersebene im Rheinhafen Karlsruhe methanbasierter Kraftstoff mit Strom aus erneuerbaren Energien und nicht-fossilem Kohlenstoffdioxid hergestellt werden kann. Dieser Kraftstoff kann dann in komprimierter oder verflüssigter Form im PKW-, LKW- und Schiffsverkehr sowie in flexiblen stationären Verstromungseinheiten, wie zum Beispiel einem Blockheizkraftwerk, zum Einsatz kommen.

Energiesystem muss angepasst werden

Um dieses Methan klimafreundlich zu erzeugen, sind einige Schritte nötig: Durch Elektrolyse werden zunächst elektrische Energie und Wasser in Wasserstoff umgewandelt. Für diesen Prozess kommt Strom aus erneuerbaren Energien zum Einsatz, der sonst abgeregelt werden müsste. Anschließend kann der Wasserstoff etwa mit Kohlenstoffdioxid aus der Luft oder anderen grünen Quellen mittels einer Methanisierung in Methan, auch EE-Methan genannt, umgewandelt werden. „Damit dies möglich ist, muss im Rheinhafen zunächst ein Energiesystem geschaffen werden, dass die drei Sektoren Strom, Wärme und Verkehr unter Beachtung des Infrastrukturbestands miteinander koppelt. Denn nur dann können die vorhandenen Energieressourcen bestmöglich unter Beachtung der Nutzeranforderungen und der noch zur Verfügung stehenden Zeit genutzt werden“, erklärt Projektleiter Wolfgang Köppel von der DVGW-Forschungsstelle.

Der Rheinhafen Karlsruhe

Der Rheinhafen Karlsruhe verbindet den Wirtschaftsraum Karlsruhe mit der internationalen Binnenschifffahrt des Rheins. Er hat eine Untersuchungsfläche von etwa 32,2 Quadratkilometern. Hier werden pro Jahr bis zu sechs Millionen Tonnen umgeschlagen. Durch seine Lage fungiert der Binnenhafen als Bindeglied zwischen Binnenschifffahrt, Schienen- und Straßenverkehr. Ein Großteil der ansässigen Firmen kommt aus den Bereichen Recycling und Entsorgung sowie Logistik und Transport. Daneben gibt es viele kleingewerbliche Nutzer und nur wenige große Industrieunternehmen. Es sind nur einzelne Wohngebäude vorhanden, die bei der energetischen Betrachtung im Projekt MethGrid nicht berücksichtigt wurden.

EE-Methan verknüpft verschiedene Sektoren

Als Kopplungsenergieträger zwischen den drei Sektoren spielt EE-Methan eine wichtige Rolle. Denn das aus erneuerbarem Strom in einem Power-to-Gas-Prozess oder aus Biomasse erzeugte Gas kann zwischengespeichert, komprimiert oder verflüssigt werden.

©DVGW-EBI
Hier sieht man das Zusammenspiel möglicher Komponenten eines Microgrids im Rheinhafen Karlsruhe. Die Erzeugung und Verwendung von SNG (Synthetic Natural Gas), LNG (Liquid Natural Gas) und CNG (Compressed Natural Gas) spielen eine Schlüsselrolle.

Mit komprimiertem Gas kann etwa eine auf Gasantrieb basierende Busflotte des ÖPNV versorgt werden oder nach saisonaler Zwischenspeicherung eine Wiederverstromung erfolgen. Für die Nutzung zum Beispiel in der Schifffahrt und als LKW-Kraftstoff kann der Aufbau eines Verteilpunkts für flüssiges EE-Methan, ein sogenannter LRG-Hub (Liquefied Renewable Gas -Zwischenspeicher) analysiert werden.

Verschiedene Optionen werden im digitalen Microgrid durchgespielt

Um herauszufinden, wie die einzelnen Komponenten des Energiesystems optimal integriert und aufeinander abgestimmt werden können, simulierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein so genanntes Microgrid. Hierbei handelt es sich um ein regionales, in sich

geschlossenes intelligentes spartenübergreifendes Energiesystem mit den Versorgungsnetzen für Strom, Wärme und Gas. Es enthält neben den Komponenten der Infrastruktur (Strom-, Gas- und Wärmenetz), Energiewandler (wie Windräder, Solarzellen, Power-to-Gas-Anlagen und Wärmetauscher) sowie Verbraucher (wie Industrie, Gewerbe, Haushalte, straßengebundener Verkehr, städtische Busse und Schiffe). Zunächst entwickelte das Wissenschaftsteam verschiedene Ansätze für Microgrids. Dazu zählt etwa ein autarkes Microgrid oder eines, das auf Synergien mit anderen Energiezellen und Netzen setzt. Im nächsten Schritt bildeten sie die Ansätze im Programm Modelica ab. Anschließend simulierten sie diese dynamisch auf Basis von Szenarien und unter Beachtung von regulatorischen sowie energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Optimierungen nach Kosten, CO2- Emissionen, Flexibilisierung und Systemstabilität waren hier wichtige Richtgrößen.

Mehr erneuerbare Energie mit Sektorenkopplung

Vier Ausbaukonzepte für das Zielszenario „TN-Power-to-Gas/Power-to-Liquid“: Hier wird auf einen breiten Technologiemix und eine Variation von Energieträgern gesetzt. Zahlreiche Anwendungen werden elektrifiziert. Die chemischen Energieträger sind erneuerbar und müssen hergestellt oder importiert werden.
©MethGrid
Vier Ausbaukonzepte für das Zielszenario „TN-Power-to-Gas/Power-to-Liquid“: Hier wird auf einen breiten Technologiemix und eine Variation von Energieträgern gesetzt. Zahlreiche Anwendungen werden elektrifiziert. Die chemischen Energieträger sind erneuerbar und müssen hergestellt oder importiert werden.

„Wir haben am Beispiel des Rheinhafens festgestellt, dass insbesondere durch Sektorenkopplung erneuerbare Energie effizient, zielgerichtet und kostengünstig genutzt werden kann. Dabei gibt es hier, vor allem auf den Gebäudedächern, noch viel Ausbaupotenzial für zusätzliche Photovoltaik-Module“, fasst Wolfgang Köppel Ergebnisse der Simulationen zusammen. Bislang befindet sich im Rheinhafen eine Freiflächen-Photovoltaik-Anlage (432 kWp) sowie zwei private PV-Anlagen (109 KWp). Einen autarken Betrieb empfehlen die Expertinnen und Experten nicht, da es kaum Möglichkeiten gibt, den hohen Strombedarf lokal mit zusätzlichen Windenergieanlagen zu decken und die Kosten deutlich über denen der synergienutzenden Energiezellen liegen. Momentan befinden sich drei Windkraftanlagen (3MW) auf dem Gelände.

Biomethan lässt sich wirtschaftlicher verflüssigen

"Unsere Untersuchungen haben zusätzlich gezeigt, dass die Produktion von Methan aus Biomasse (bio-LNG) für den Sektor Verkehr, etwa in Form von Treibstoff im Schwerlastverkehr, auch durch den Erlös aus der Treibhausgasminderungsquote wirtschaftlich werden kann“, so Köppel. „Insgesamt ist die Verflüssigung von Biomethan wirtschaftlicher als die von konventionellem Erdgas. Durch die Preissteigerung von Erdgas durch den Ukraine-Krieg bei gleichzeitig eher konstantem Biogaspreis fällt dieser Unterschied noch deutlicher aus.“ Dabei ist zu beachten, dass Biomethan aus Gülle die geringsten beziehungsweise sogar negative Treibhausgas-Emissionen aufweist. Damit erzielt dieses bio-LNG die höchsten Erlöse beim Verkauf der Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote).

Was ist die THG-Quote?

Die THG-Quote (Treibhausgasminderungsquote) soll den Mobilitätssektor zu einer THG-Emissionsreduktion anhalten. Hierbei werden in den Verkehr gebrachte Kraftstoffe mit einer Quote belegt, die ein Mindestmaß an erneuerbaren Kraftstoffen festlegt. Um diese Quote zu erreichen, können auch THG-Zertifikate dazugekauft werden. Der Quotenhandel wird in §37 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes geregelt.

Vor allem der für die Verflüssigung des Gases benötigte Strom wirkt sich auf die Gesamtkosten aus. Um diese möglichst gering zu halten, könnten bei günstigen Standorten, so das Wissenschaftsteam, innovative Verflüssigungsverfahren, wie etwa die Druckdifferenznutzung eingesetzt werden. Bei diesem Verfahren wird das Methan bei der Entspannung aus einer Hochdruckleitung in ein nachgelagertes Gasnetz mit niedrigerem Druck abgekühlt. Somit kann Arbeit für das Kühlen eingespart werden. Ein Ziel des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Projektes MethGrid ist es, die hier gesammelten Erkenntnisse auch auf andere Standorte in Deutschland zu übertragen. (bs)

Zuletzt aktualisiert am: 26.08.2022

EnEff:Hafen: Verbundvorhaben MethGrid: Erzeugung und Einsatz von Methan aus erneuerbaren Quellen in mobilen und stationären Anwendungen

För­der­kenn­zei­chen: 03EIV045A-F

Projektlaufzeit
01.07.2018 31.12.2021 Heute ab­ge­schlos­sen

The­men

Flüssiggas, synthetische Kraftstoffe, erneuerbares Methan

För­der­sum­me: 1,49 Millionen Euro

Kontakt

Koordination

DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut des Karlsruher Instituts für Technologie
Gastechnologie
www.dvgw-ebi.de 
+49 721 608-42581

Projektpartner
Stadtwerke Karlsruhe
website

0721 599 2255

Projektpartner
Rolls Royce Solution GmbH
website

07541 90 77777
info@ps.rolls-royce.com

Projektpartner
Keep It Green GmbH
website

08151 446370
mail@keep-it-green.de

 Projektpartner
terranets bw gmbh
https://www.terranets-bw.de/

0711 7812-0

Projektpartner
Erdgas südwest gmbh
website

07243 216-0

 

 

©struvictory - stock.adobe.com

Energieversorgung in Gebäuden und Quartieren

Im Fokus der Forschung zu energieoptimierten Gebäuden und Quartieren stehen effiziente und zugleich wirtschaftliche Versorgungsstrukturen. Systemische Ansätze statt Einzellösungen sind gefragt, um Sektorkopplung und Digitalisierung voranzutreiben und den Primärenergiebedarf im gesamten System durch die Integration erneuerbarer Energien deutlich zu senken.

mehr
Newsletter

Nichts mehr verpassen:

© bluejayphoto
Das Informationssystem EnArgus bietet Angaben zur Forschungsförderung, so auch zu diesem Projekt.