28.05.2020 | aktualisiert am:  14.07.2021

Andreas Overhage leitet die Abteilung Vertrieb, Consulting und Projektumsetzung bei der Energieversorgung Oberhausen AG (evo). Im Interview stellt er zwei Forschungsprojekte zur künftigen Wärmeversorgung im Quartier vor und erklärt, warum sich die Stadtwerke neu aufstellen müssen.

INTERVIEW

Im Forschungsvorhaben FlexKWK haben Sie eine innovative Wärmeversorgung im Quartier entwickelt. Können Sie das kurz beschreiben?

Unser FlexKWK haben wir in ein bestehendes Nahwärmenetz, das bisher über eine Gasbrennwertkesselanlage 200 Wohneinheiten mit Wärme versorgt wurde, eine neue Anlagentechnik eingebaut. Dafür wurde In das Bestandsgebäude ein Blockheizkraftwerk (BHKW) mit einer Power-to-Heat-Anlage kombiniert, ergänzt mit großen Wärmespeichern. Wir haben im FlexKWK eine flexible, bedarfsgerechte und wirtschaftliche Fahrweise des BHKW realisiert: Strom wird produziert und zu 100 Prozent ausgespeist, wenn er am Markt benötigt wird. Gleichzeitig stellt die Anlage die Wärmeversorgung für die Bewohner sicher, die an das Nahwärmenetz angeschlossen sind.

 

 

War die Partizipation der Mieter auch ein Teil des Forschungsvorhabens?

Das ist ein sehr wichtiges Thema, dass die Mieter bei einem solchen Projekt von Beginn an informiert und mitgenommen werden. Denn sie sind Endnutzer der Energie und nehmen die Wärme oder den Strom vor Ort ab. Alles Neue wird erstmal kritisch gesehen: Wir haben in verschiedenen Veranstaltungen über das Projekt informiert und Hintergründe erklärt. Nicht jeder Mieter nimmt das wahr, nicht jeder ist dafür offen oder interessiert an solchen Dingen. Aber der Energieversorger vor Ort sollte zumindest eine Plattform schaffen, damit eine Akzeptanz zu den entsprechenden Technologien stattfinden kann.

Im Forschungsvorhaben Quentin wollen Sie die flexible Kraft-Wärme-Kopplung weiterentwickeln. Was planen Sie hier genau?

In Quentin haben wir drei Genossenschaften gewonnen, die mit uns im Oberhausener Stadtteil Tackenberg eine netzgebundene Energieversorgung mit Niedertemperatur-Wärmenetzen entwickeln. Wir werden dort eine FlexKWK-Lösung mit zentralen sowie dezentralen Pufferkapazitäten einsetzen und damit ein neues Nahwärmenetz aufbauen, das bisher im Quartier und den Gebäuden noch nicht vorhanden ist. Im Laufe des Projekts können wir dann genaue Aussagen darüber machen, welches Potenzial die angeschlossenen Gebäude haben, ihren Energiebedarf zu senken.  Perspektivisch kann dieses Prinzip der Nahwärmeinseln mit flexibler KWK auch auf andere Stadtquartiere in Deutschland übertragen werden.

Wie hat es die evo geschafft, andere Akteure aus der Praxis für das Forschungsprojekt zu überzeugen?

Zuerst braucht es eine Idee -ein Konzept, von dem man persönlich überzeugt ist. In der Vergangenheit hätte man zum Beispiel von einer Wärmeversorgung im Quartier über ein flexibel gesteuertes BHKW die Finger gelassen. Denn bisher hieß es, ein BHKW unter 5.000 Betriebsstunden rechnet sich nicht. Davon muss man sich heute einfach verabschieden. Bevor man aber mit einer innovativen Idee auf die anderen Akteure zugeht, ist es wichtig zu überlegen, wie das wirtschaftlich darstellbar ist, welche Aspekte eine Rolle spielen, welche Vorteile es hat usw. Das ist dann die Überzeugungsarbeit bei den Wohnungsgenossenschaften, aber auch bei Planungsleitern und Vorständen, die natürlich den Anspruch haben, dass  sich solche Projekte entsprechend tragen. Denn man investiert ja auch ein gewisses Budget. Es gibt sicherlich Hürden solche Forschungsprojekte anzugehen, man muss entsprechend initiativ sein und sich entsprechend aktiv beteiligen. Das bedeutet mehr Arbeit, aber am Ende der Mehrarbeit steht auch ein Mehrwert. Da ist auch immer die Frage, ob das entsprechend erkannt wird und ob dann die Kapazitäten für solche Projekte freigeschaufelt werden können.

 

 

Wir befinden uns mitten in der Transformation des Energiesystems. Wo sehen Sie sich  als Stadtwerk, was ist Ihre Rolle in der Energiewende?

Als örtliche Energieversoger hatten die Stadtwerke bisher immer die Aufgabe der Versorgungssicherheit. Das sind bei der Energieversorgung Oberhausen Fernwärme und Gas. Wenn wir uns aber auf diese Kernkompetenzen verlassen, wird es schwierig, sich für die Zukunft aufzustellen. Es fehlt an Konzepten und Ideen, wie Gebäude und Quartiere künftig versorgt werden können. Das ist ein Bereich, in dem wir uns als Stadtwerk mit entsprechendem Know-how weiterentwickeln können und sollten. Wir müssen als Energieversorger die Fühler ausstrecken in die verschiedensten Bereiche. Das kann für jeden Versorger ganz anders aussehen. Aber stillstehen und sich auf die eigentlichen Sparten verlassen, hat keine Zukunft.

 

 

Kann die Energiewende für Stadtwerke wirtschaftlich sein?

Ja, eindeutig. Alleine der Erfahrungsschatz, den wir über das Forschungsprojekt FlexKWK gesammelt haben, bringt uns schon immens nach vorne. Und nicht nur uns, sondern auch die anderen Akteure, die mit im Projekt involviert waren. Der BHKW-Hersteller hatte zum Beispiel für einen Einsatz der flexiblen BHKW-Anlage - Einsatz mit rund 2.000 Betriebsstunden - noch keine Erfahrungswerte. Für ihn war das Forschungsprojekt eine ideale Möglichkeit festzustellen, ob das funktioniert. So ein Projekt ermöglicht vielen, die daran beteiligt sind,  Erfahrungen zu sammeln und in der Zukunft andere Konzepte, andere Techniken oder Modifizierungen vorzunehmen, die dann einen Schritt in die Zukunft bedeuten.

Das vollständige Video des Interviews können Sie hier einsehen.

Kontakt

Koordination

Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT
https://www.umsicht.fraunhofer.de/

+49(0)208-8598-0

Das Informationssystem EnArgus bietet Angaben zur Forschungsförderung, so auch zu diesem Projekt.
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