30.04.2020 | aktualisiert am: 12.07.2021

Forscherinnen und Forscher haben Sanierungsfahrpläne für kommunale Quartiere entwickelt. Mit diesen wollen sie im Projekt „Drei Prozent Plus – Umsetzung des energieeffizienten Sanierungsfahrplans für kommunale Quartiere“ vor Ort für mehr Klimaschutz sorgen.

Der Bestand an Wohngebäuden kann einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, die deutschen Klimaschutzziele für 2050 zu erreichen. Immerhin 15 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes entfallen nämlich auf Heizung und Warmwasser in Wohngebäuden. Wenn die Sanierungsquote allerdings bei ihrem derzeitigen Stand von einem Prozent bleibt, dann sind die Ziele der Bundesregierung in diesem Bereich kaum zu erreichen. Das Verbundvorhaben Drei Prozent Plus setzt bei den aktuellen Hemmnissen energetischer Sanierung an.

Der Deutsche Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung (DV), die Beratungs- und Service-Gesellschaft Umwelt mbH (B.& S.U.) und die Hochschule für Technik Stuttgart (HfT) untersuchen schwer zu aktivierende Energieeffizienzpotentiale. Darunter fallen etwa Quartiere mit heterogenen Einzeleigentümerstrukturen, also mit Kleinvermietern, Senioreneigentümern und kleinen Wohnungseigentümergemeinschaften mit ehrenamtlichen Verwaltern.

Die Lebenssituation der Eigentümer, der jeweilige Gebäudezustand oder die energetische Versorgung variieren teils stark. Entsprechend unterschiedlich können die optimalen Kombinationen von Sanierungsmaßnahmen sein. Deshalb sind mit Aachen-Brand, Ludwigsburg-Schlösslesfeld sowie der Gemeinde Roetgen und der Stadt Eschweiler in der Region Aachen sehr unterschiedliche Modellkommunen beteiligt.

Kommunizieren und Informieren

Im Teilprojekt A ist der DV zuständig für den nationalen und internationalen Erfahrungsaustausch sowie die Erweiterung lokaler Beratungsnetzwerke vor Ort. „Bestenfalls soll eine nutzerfreundliche Verweiskultur unter den verschiedenen Akteuren etabliert werden, die es den Eigentümerinnen und Eigentümern leichter macht, sich zu orientieren und zu der für sie optimalen Sanierungslösung zu kommen“, sagt Hauke Meyer vom DV.

Zu diesen Akteuren können Verbraucherzentralen, die örtliche Bank aber auch Handwerksbetriebe oder die Kommunen gehören. Eine kostenlose und neutrale Erstberatung wie zum Beispiel beim Aachener Verein und Partner im Projekt „altbau plus“ oder bei der Ludwigsburger Energieagentur sei da ein sehr wichtiger Türöffner: „Gemeinsam mit den Akteuren vor Ort analysieren wir die Beratungsketten aus Sicht der Eigentümerinnen und Eigentümer und diskutieren, wie diese gestärkt werden können.“

Um Feedback aus den Kommunen einzuholen und gleichzeitig verschiedene Praktikerinnen und Praktiker zusammenzubringen waren Workshops geplant.  Hier zwingt die Corona-Pandemie die Forscherteams zu neuen Ideen: „Bei den Veranstaltungsformaten sind wir jetzt natürlich eingeschränkt. Wir werden umdenken und wohl auch zeitliche Verzögerungen in Kauf nehmen müssen. Aber wir profitieren vom bestehenden, engen Kontakt zu Partnern vor Ort aus dem Vorgängerprojekt“. Das werde bei der Erprobung von Online-Formaten helfen, hofft Meyer. Der persönliche Austausch bleibe aber für das Projekt von großer Bedeutung.

Teil des Projektes ist auch der internationale Austausch im Rahmen eines Technology Collaboration Programme (TCP) der Internationalen Energieagentur, wo der DV und die B.&S.U. mitwirken. Konkret geht es dort um die kosteneffiziente Kombination auf Quartiersebene von Maßnahmen an der Gebäudehülle sowie der Energieversorgung. „Hier erstellen wir Guidelines für lokale Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger, bringen Erfahrungen aus dem deutschen Kontext ein und tragen wichtige Erkenntnisse unserer internationalen Partnerinnen und Partner zurück“, erklärt Meyer.

Digitale Lösungen sollen bei der energetischen Sanierung unterstützen

Im Teilprojekt B entwickelt die HfT Stuttgart ergänzende digitale Anwendungen. Diese sollen Sanierungshemmnisse senken, indem sie die Gebäudeanalyse sowie die Sanierungsplanung und -umsetzung vereinfachen. So soll beispielsweise ein CrowdSourcing-Tool Umsetzungsbereitschaft von Privateigentümern hinsichtlich energierelevanter Maßnahmen herausfinden.

Aus den erhobenen Daten sollen sich auch schon Sanierungsszenarien für einzelne Gebäude ableiten lassen. Ein weiteres Tool kann diese Daten zur Planung der konkreten Sanierung nutzen und deren Umsetzung begleiten. Auch ein softwarebasiertes Quartiersmonitoring kann Kommunen künftig die Sanierungsarbeit erleichtern.

Die Projektpartner haben allerdings insgesamt herausgefunden, dass die digitale Ansprache eher jüngere Eigentümer erreicht. Auf der Suche nach Multiplikatoren für alle Altersgruppen wurden sie bei Vereinen, bekannten Handwerkernetzwerken oder Nachbarschaftsvereinen fündig. Für ältere Eigentümer werden auch Energieberatungen in den Gemeinden vor Ort angeboten.

Im Rahmen eines kunden- beziehungsweise nutzerorientierten Prozesses sollen dort, wo es sinnvoll und machbar erscheint, innovative Produkte und Dienstleistungen inklusive entsprechender Finanzierungskonzepte entwickelt werden. Denkbar erscheinen in diesem Kontext etwa Betreiber- und Vermarktungsmodelle für Energieeffizienz, für den Wärme- und Strombereich sowie die Sektorkopplung (Energy Cloud mit Strom/Wärmekonten, Quartiersgenossenschaftsmodelle, etc.).

Sanierungsfahrpläne für Quartiere dienen Kommunen als Roadmap

Die B.&S.U. begleitet im Teilprojekt C die konkrete Erprobung ihres im Vorgängerprojekt entwickelten Instruments des energieeffizienten Sanierungsfahrplans für kommunale Quartiere (SFQ). Die Sanierungsfahrpläne sollen in den beteiligten Modellkommunen Aachen-Brand, Ludwigsburg-Schlösslesfeld sowie in der Gemeinde Roetgen und der Stadt Eschweiler in der Region Aachen zeigen, wie Kommunen systematisch private Eigentümer zur Sanierung motivieren können. Damit können sie aktiv mithelfen, die energetische Sanierungsquote von drei Prozent und gleichzeitig die Klimaschutzziele erreichen. So entstand auch der Name des Projekts.

Ein Sanierungsfahrplan für ein Quartier mit klassischen Ein- und Zweifamilienhaussiedlungen oder für Quartiere mit einem hohen Anteil privater Eigentümer von Einfamilienhäusern und Eigentumswohnungen hätte einen Schwerpunkt auf der Aktivierung der Bewohnerinnen und Bewohner. Zudem würde er ein lokales Netzwerk aus Energieberaterinnen und Energieberatern vor Ort etablieren. Die Kooperation mit Stadtwerken und sogenannten „Ankerkunden“ (Schulen, Einkaufszentren, also Objekte mit einem nennenswerten Wärmebedarf) im Quartier wird untersucht, um eine energieeffiziente Energieversorgung auszuloten.

Das können dann etwa der Ausbau vorhandener Fernwärmenetze, neue Nahwärmenetze, oder auch Insellösungen über kleine Blockheizkraftwerke und weitere innovative Heizungslösungen sein. Gleichzeitig müssen die Hausbesitzer informiert und motiviert werden. „Kommunikation ist für das ganze Projekt ein sehr wichtiges Element“, erklärt deshalb auch Uta Schneider - Gräfin zu Lynar, Bereichsleiterin bei B.&S.U..

Nachdem B.&S.U. im Vorgängerprojekt „Drei-Prozent-Projekt - energieeffizienter Sanierungsfahrplan für kommunale Quartiere 2050“ vor allem solche Probleme beleuchtet und daraus einen Leitfaden und drei Konzepte für Sanierungsfahrpläne für unterschiedliche Quartiere (Großstadt, Mittelstadt, ländliche Gemeinde) entwickelt hat, lag es nahe, die eigenen Empfehlungen auch gemeinsam mit vier interessierten Kommunen umzusetzen.

Das ist der Hintergrund des 2019 gestarteten Nachfolgeprojekts Drei Prozent Plus. „Wir stehen natürlich mit den Kommunen im engen Kontakt, mit denen wir schon im Vorgängerprojekt zusammengearbeitet haben“, erklärt Lynar, wobei es sich konkret um die Quartiere in Aachen-Brand und Ludwigsburg-Schlösslesfeld handelt. Mit Eschweiler-Nothberg und der Gemeinde Roetgen in der Eifel sind auch zwei neue Kommunen dazugekommen, die an Sanierungsfahrplänen interessiert sind. Die Maßnahmenkonzepte sollen ihnen die Daueraufgabe des kommunalen Klimaschutzes langfristig erleichtern.

Unterschiedliche Lösung für unterschiedliche Quartiere

Dabei gibt es Quartiere mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen, erklärt Uta Lynar: „In Roetgen gibt es zum Beispiel eine sehr aktive – und auch solvente - Bürgerschaft und einen sozialen Zusammenschluss etwa durch das Netzwerk "Zwischen Arbeit und Ruhestand", in dem sich die Generation 55 plus darüber austauscht, wie sie gemeinsam selbstbestimmt und aktiv ihr Alter gestalten und die Nachbarschaft stärken kann. In Aachen - Brand gibt es eine ähnlich aktive Bürgerschaft und eine gute Unterstützung durch das Bezirksamt, aber bisher eine geringere Kommunikation zur Mitwirkung.“ Die Gründe dafür herauszufinden ist nun ebenfalls Teil des Projektes.

Das Projekt Drei Prozent Plus läuft voraussichtlich noch bis Ende 2021. Alle Informationen zum Vorgängerprojekt, dem Drei-Prozent-Projekt, finden Sie hier.

Kontakt

Koordination

Deutscher Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V. (DV)
http://www.deutscher-verband.org/

49(0)30-2061325-56

©metamorworks–stock.adobe.com

Digitale Werkzeuge, Konzepte und Methoden

Die Informations- und Kommunikationstechnik spielt in Gebäuden und Quartieren eine wichtige Rolle. Denn innovative Gebäudetechnik und eine elektrische, thermische sowie digitale Vernetzung von Gebäuden, Quartieren und Energiesystemen können diese energetisch maßgeblich optimieren.

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