19.04.2021 | Aktualisiert am: 12.07.2021

Um ein aktiver Akteur der Energiewende zu sein, müssen Stadtwerke neue Geschäftsmodelle und Konzepte entwickeln. Klaus Rebensburg leitet die Abteilung Konzeptentwicklung und Technik bei den Stadtwerken Düsseldorf. Er spricht über ein zu entwickelndes Planungstool für Stadtwerke, das Technologien und Marktsituationen miteinander vergleicht und erklärt, warum Fördermaßnahmen klarer definiert werden sollten.

Wie aktiv sind die Stadtwerke Düsseldorf als Akteur der Energiewende?

Wir haben uns als Landeshauptstadt zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2035 die Stadt zu dekarbonisieren, wie die Bundesregierung es für Deutschland bis 2050 ausgerufen hat. Insofern entwickeln wir uns als ein zentraler Akteur, der die Stadtwerke Düsseldorf sind, mit  und arbeiten konsequent an der Erreichung des Ziels. Wir sind dabei, CO2-neutrale beziehungsweise CO2-arme Produkte und Energiedienstleistungen zu entwickeln, die sowohl aus unserer Sicht als Unternehmen als auch aus Sicht des Kunden attraktiv sind. Die nachhaltigsten Lösungen sind oft nicht die wirtschaftlichsten. Da gibt es eine Lücke, die wir mit entsprechenden Geschäftsmodellen und Produkten schließen wollen.

Was sind Ihre Erwartungen an das Forschungsprojekt SW.Developer, das Sie als Stadtwerke Düsseldorf gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT machen?

Von dem Forschungsprojekt erhoffen wir uns einen systematischen Blick von oben auf potenzielle Technologien, die wir als Stadtwerke anwenden und die zur Dekarbonisierung des Energiesystems beitragen können. Ziel ist eine Art Planungshilfsmittel zu erstellen, das verschiedene Technologielinien in Bezug auf zukünftige Anforderungen und Marktsituationen miteinander vergleicht und damit ein erfolgversprechendes Anlagen-und Produktportfolio für Stadtwerke entwickelt. Es gibt zum Beispiel schon technische Lösungen, die sich aber am Markt noch nicht platzieren lassen, weil ihre Wirtschaftlichkeit noch nicht gegeben ist. Hier wollen wir mit SW.Developer entsprechende Empfehlungen ableiten, sodass etwa die Rahmenbedingungen entsprechend gesetzt werden können.

Sie sagen, Pilotprojekte haben einen hohen Stellenwert für Sie. Was ist der Reiz für Sie, Teil eines Pilotprojekts zu sein - im Gegensatz zur Beteiligung an einer Studie?

Der Reiz an Pilotprojekten ist, dass wir hier das Versprechen haben, die Idee für eine Technologie auch umzusetzen. Mit der Umsetzung trifft man wiederum auf neue Fragestellungen, gewinnt Erkenntnisse, sieht, wo vielleicht noch Chancen liegen, die bisher noch nicht gesehen wurden. Über Pilotprojekte können wir gemeinsam mit anderen Akteuren die Machbarkeit von Ideen beweisen. Danach folgt die Herausforderung, ein entsprechendes Geschäftsmodell zu entwickeln. Und da landen wir dann bei den Rahmenbedingungen. Die Idee beziehungsweise das Konzept muss sowohl für den Kunden als auch für uns als Unternehmen darstellbar, attraktiv und damit wirtschaftlich sein.

Was brauchen Sie als Stadtwerk, um Strategien zu entwickeln, die auch nachhaltig sind?

Um Strategien entwickeln und umsetzen zu können, brauchen wir klare und verlässliche Rahmenbedingungen der Politik. Die Ziele zur Dekarbonisierung sind ja definiert – sie sind wie gesagt in Düsseldorf noch anspruchsvoller als im Bund. Aber es müssen auch die konkreten Maßnahmen definiert werden, die beispielsweise gefördert werden, die gewollt sind, damit wir auch in die Umsetzung gehen können.

Welche drei Eigenschaften muss ein Stadtwerk von morgen haben, um wichtiger Partner und Teil der Energiewende zu sein?

Das Stadtwerk der Zukunft muss bestehende Strukturen hinterfragen und über die bestehenden Geschäftsmodelle hinausdenken. Gleichzeitig muss es Dinge umsetzen und auf die Straße bringen wollen. Denn nur durch Pilotprojekte und das Umsetzen von Themen kann es gelingen, neue Geschäftsmodelle und Energiedienstleistungen zu entwickeln. Und damit haben die Stadtwerke auch für die nächsten Jahrzehnte ein wunderbares Geschäft in ihren lokalen Märkten.

Wie können Stadtwerke es schaffen, das alte Kerngeschäft hinter sich zu lassen und neue Wege zu gehen?

Zunächst einmal geht es nicht darum, das alte Kerngeschäft hinter sich zu lassen, denn auch dieses Geschäft wird es weiter geben und oftmals verschafft es die Ressourcen, um bestimmt Entwicklung darstellen zu können – insbesondere finanziell. Ich kann das jetzt nicht für alle Stadtwerke beurteilen, aber man muss dem Vorstand oder der Unternehmensführung bewusstmachen, dass sich etwas verändert. Es braucht entsprechende Mittel, Ressourcen sowie Mitarbeiter, einen gewissen Freiraum und Kapazitäten, sich um die neuen Dinge zu kümmern. Der nächste Schritt ist dann, aus dem eigenen Unternehmen rauszugehen und mit anderen zu sprechen, sei es im Rahmen von Forschungsprojekten oder mit Akteuren wie Start-ups, die gute Ideen entwickeln. Man muss nicht immer direkt etwas daraus entwickeln, aber alleine der Austausch und zu beobachten, was am Markt passiert, ist sehr wertvoll und hilfreich.

Können Kooperationen mit anderen Partnern eine Möglichkeit für Stadtwerke sein, der Transformation der Energiewende zu begegnen; und wie würden diese aussehen?

Kooperationspartner gibt es viele: zum Beispiel Start-ups, die Wohnungswirtschaft, Immobilienbesitzer oder Investoren, die beispielsweise große Quartiere planen. Wir sind in diesem Feld auch aktiv und bieten etwa Nahwärmekonzepte an. In Düsseldorf heißt das Insel-Fernwärme – je nach Bedarf der Investoren planen wir entsprechende Versorgungskonzepte. Mit Blick auf die Energiewende halte ich es für notwendig, dass auch Akteure wie Investoren Fördergelder erhalten, sodass sie nachhaltige Konzepte verfolgen können. Denn wenn das nicht der Fall ist, bieten wir zwar Konzepte mit sehr niedrigen CO2-Emissionen an, würden aber nicht den Zuschlag bekommen. Und dann sind wir quasi gezwungen, eher konventionelle Versorgungslösungen anzubieten.

Ist eine Vernetzung der Stadtwerke mit anderen Akteuren der Energiewende sinnvoll?

Netzwerke sind aus meiner Sicht nicht nur sinnvoll, sondern auch zwingend erforderlich, wenn wir als Stadtwerke die Energiewende mitgestalten wollen. Netzwerke können auf vertikaler als auch auf horizontaler Ebene mit anderen Stadtwerken erfolgen. Denn alle Stadtwerke haben die gleichen Fragestellungen. Jeder hat überwiegend den Fokus auf sein eigenes Kerngebiet, sodass wir nicht in direkter Konkurrenz zueinander stehen und ein offener Austausch gut möglich ist. Darüber hinaus sind weitere Netzwerke mit Partnern aus Forschungs- und Entwicklungsprojekten oder aus anderen Branchen denkbar, wie beispielsweise der Wohnungswirtschaft oder dem Mobilitätsbereich, wenn man an Ladeinfrastruktur denkt. Es geht immer mehr dahin, dass sich viele verschiedene Branchen mit dem Thema Energie beschäftigen – und neue Produkte und Dienstleistungen entstehen oft in den Schnitstellen von Branchen Insofern ist es aus Stadtwerke-Sicht zwingend, sich mit Vernetzung zu beschäftigen und zu versuchen, solche Schnittstellen zu besetzen - bevor es andere tun.

Das Interview führte Annika Zeitler, Wissenschaftsjournalistin beim Projektträger Jülich.

Aus drei aktuellen Forschungsprojekten, unterstützt vom Projektträger Jülich, wurde der Themenverbund »Aktivierung der Stadtwerke« gegründet. Dieser begleitet relevante AkteurInnen dabei, für aktuelle und zukünftige Herausforderungen erfolgversprechende Lösungsansätze zu finden und umzusetzen. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe SW.aktiv wird eine Plattform für den Austausch und die Vernetzung geschaffen.

Das Informationssystem EnArgus bietet Angaben zur Forschungsförderung, so auch zu diesem Projekt.
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