27.04.23 | Aktualisiert am: 03.08.2023

Gezielte Förderung und ein angemessener CO2-Preis sind ausschlaggebend dafür, dass Großwärmepumpen auch wirtschaftlich schnell mit fossilen Technologien mithalten können. Das erklärt Anna Billerbeck im Interview. Ihr Team hat einen Bericht zu den ökonomischen Rahmenbedingungen veröffentlicht.

Im Forschungsprojekt FernWP wird an der Entwicklung von leistungsstarken Großwärmepumpen gearbeitet, die den hohen Anforderungen an Fern- und Prozesswärme gerecht werden sollen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Integration in bestehende Infrastrukturen, um eine umweltfreundliche und kosteneffiziente Alternative zur Wärmeerzeugung aus Kohle zu schaffen.

In einem ersten Schritt hat das Forschungsteam unter der Leitung von Anna Billerbeck vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI nun die ökonomischen Bedingungen für Großwärmepumpen untersucht und einen entsprechenden Bericht veröffentlicht. Die Forscherin spricht im Interview über Herausforderungen und Möglichkeiten gezielter Förderung sowie über die Potenziale von Großwärmepumpen zur Ablösung der Kohle in der Fernwärme.

Porträtfoto Anna Billerbeck
©Fraunhofer ISI
Anna Billerbeck ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kompetenzzentrum Energiepolitik und Energiemärkte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung ISI. Die Forscherin beschäftigt sich insbesondere mit Themen rund um politische Maßnahmen zur Dekarbonisierung von Wärme- und Kältenetzen.

Frau Billerbeck, Sie haben die ökonomischen Rahmenbedingungen für Großwärmepumpen untersucht. Warum ist das so wichtig und wer kann von Ihren Ergebnissen profitieren?

Anna Billerbeck: Der Wärmesektor macht bis zu 50 Prozent des deutschen Energieverbrauchs aus. Der Kohleaussteig ist beschlossen und die Gaspreise sind stark gestiegen. Das heißt, wir haben zwei Technologien, mit denen wir aktuell Strom und Wärme erzeugen, die wir zukünftig aber nicht mehr nutzen werden. Vor diesem Hintergrund sind Großwärmepumpen eine klimafreundliche Alternative, und zwar insbesondere dann, wenn sie Strom aus erneuerbaren Energien nutzen.

Im Moment existieren allerdings noch Hemmnisse, Großwärmepumpen einzusetzen und im Markt zu etablieren. Mit unserem Bericht wollen wir einen Beitrag dazu leisten, diese Hemmnisse zu überwinden. Von unseren Untersuchungen zu den ökonomischen Rahmenbedingungen können verschiedene Akteure profitieren: Das sind etwa politische Entscheidungsträger und auch kommunale Planer oder Berater. Auch für Fernwärmenetzbetreiber sind die Ergebnisse interessant. Diese können dadurch leichter erkennen, unter welchen Bedingungen Großwärmepumpen rentabel sein können und wann der Rahmen gegeben ist, um solche Projekte zu realisieren. Und für Großwärmepumpen-Hersteller, die zeigen wollen, dass ihre Technologie eigentlich schon rentabel ist.

Sie erwähnten bereits, dass es noch einige Hemmnisse gibt. Wo sehen Sie die größten Hürden beim Ausbau von Großwärmepumpen?

Anna Billerbeck: Da lässt sich zwischen verschiedenen Typen von Hemmnissen unterscheiden. Aus der technischen Sicht ist beispielsweise das benötigte Temperaturniveau in den Fernwärmenetzen zu nennen. Viele Netze in Deutschland haben noch ein relativ hohes Temperaturniveau, das heißt über 100 Grad Celsius. Hier gibt es noch nicht so viel Erfahrung, wie Großwärmepumpen in diesen Netzen am besten Wärme liefern können. Außerdem haben viele Fernwärmenetze einen sehr hohen Wärmebedarf und es gibt noch nicht so viele Anlagen, die sehr hohe Leistungen (der Megawattklasse) erbringen.

Dann gibt es auch noch wirtschaftliche Hemmnisse. Wärmepumpen sind im kleinen Leistungsbereich für Wohngebäude mittlerweile eine etablierte Technologie. Große Anlagen in Fernwärmenetzen umzusetzen, ist dagegen Neuland und mit größeren Herausforderungen verbunden. Bisher gibt es kaum umgesetzte und verfügbare Anlagen, die Investitionen sind hoch und es müssen hohe Betriebskosten aufgebracht werden. Deshalb gibt es im Moment eher noch maßgeschneiderte individuelle Lösungen oder individuelle Projekte. In Bezug auf die Wirtschaftlichkeit, sprechen wir hier eben nicht von einer Massenherstellung. Ein weiteres wichtiges Hemmnis ist, dass der Bekanntheitsgrad relativ gering ist – also zum einen die technischen Möglichkeiten und auch was wirtschaftlich realisierbare Anwendungspotenziale sind. Deswegen sind Pilot- oder Demonstrationsprojekte sehr wichtig. Die drei größten Hemmnisse sind also technisch-, wirtschaftlich- und auch informationsbasiert.

In Ihrem Bericht haben Sie unter anderem drei Szenarien für den Einsatz von Großwärmepumpen durchgespielt. Was haben Sie herausgefunden?

Anna Billerbeck: Es sind drei Szenarien, die die Wirtschaftlichkeit von Großwärmepumpen mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen berechnen. Alle drei Szenarien starten mit einer Wirtschaftlichkeit in 2025 und bilden eine Prognose bis 2050 ab. Das erste Szenario haben wir Baseline genannt. Das ist eher ein Szenario, das nur illustrativ ist und die Methodik in dem Bericht erklärt. Hier haben wir angenommen, dass es gar keinen CO2-Preis und auch keine Förderung für Großwärmepumpen geben würde und haben uns die Wirtschaftlichkeit der Anlagen im Vergleich zu anderen Technologien – insbesondere einem Gaskraftwerk, also einer Gas-Kraft-Wärme-Kopplung, und einem Heizwerk – angeschaut. Das Szenario zeigt, was passieren würde, wenn der Staat gar nicht eingreifen würde. Da sind Großwärmepumpen leider nicht wirtschaftlich – auch bis 2050 nicht.

Das zweite Szenario fokussiert den CO2-Preis. Wir haben in unserer Rechnung Anlagen ab 20 Megawatt angenommen – die fallen unter das europäische Emissionshandelsystem, kurz ETS [aus dem Englischen: emissions trading system]. Dabei haben wir zwei verschiedene Entwicklungspfade für den CO2-Preis angenommen: Einmal einen sehr starken Anstieg bis fast 500 Euro pro Tonne CO2 und einmal einen etwas weniger starken Anstieg nur bis 200 Euro pro Tonne CO2. Selbst bei einem sehr hohen CO2-Preis erreichen wir nicht zeitnah – also nicht in 2025 – eine Wirtschaftlichkeit von Großwärmepumpen.

Das dritte Szenario haben wir Förderung genannt und die neue Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (kurz BEW) einbezogen. Dieses neue Förderprogramm ist zum einen eine Investitionsförderung und zum anderen eine Betriebskostenförderung – beides haben wir im dritten Szenario abgebildet. Dabei ist die Investitionsförderung abhängig von der Wirtschaftlichkeitslücke. Das ist in dem Förderprogramm so definiert. Hier haben wir einerseits Szenarien berechnet, in denen eine volle Förderung gewährt wird. Das heißt, 40 Prozent der Investition wird gefördert. Andererseits haben wir Szenarien berechnet, bei denen eine geringere Investitionsförderung vorliegt – nur 20 Prozent wird gefördert. Die Betriebskostenförderung haben wir ebenfalls abgebildet. Diese wird in Cent pro Kilowattstunde auf den Strom ausgezahlt und reduziert damit den Strompreis für Großwärmepumpen. Dabei zeigt sich, dass Großwärmepumpen, insbesondere bei einem hohen CO2-Preis und voller Förderung auf jeden Fall wirtschaftlich betrieben werden können – und zwar auch schon ab unserem definierten Start Jahr 2025. Wenn aber der CO2-Preis etwas weniger stark ansteigt und nicht die volle Förderung, eventuell auch nicht die Betriebskosten-Förderung gewährt werden, ist es für Großwärmepumpen auf jeden Fall schwieriger, wettbewerbsfähig zu werden – insbesondere im Vergleich zu den Gastechnologien.

Das Interview in der Langfassung mit weiteren Fragen lesen Sie auf industrie-energieforschung.de. Dort finden Sie auch weitere Informationen zum Projekt FernWP.

Mehr auf industrie-energieforschung.de

Das Interview in der Langfassung mit weiteren Fragen lesen Sie auf industrie-energieforschung.de.

Die Analyse zum Download

Der im Rahmen von FernWP entstandene Bericht zum Download: „Analyse ökonomischer Rahmenbedingungen für Großwärmepumpen“

as am Rhein gelegene Kraftwerk zeichnet sich durch sehr leistungsfähige Wasserentnahme- und Rücklaufeinrichtungen aus. Diese eignen sich optimal als Wärmequelle für eine Großwärmepumpe.
© GKM AG

Reallabor GWP: Großwärmepumpen in deutschen Fernwärmenetzen

Mit treibhausgasfreiem Strom betriebene Großwärmepumpen könnten dazu beitragen, die CO2-Emissionen in der Wärmeversorgung zu verringern. Im Reallabor der Energiewende GWP werden die Anlagen an  unterschiedlich strukturierten Standorten an Fernwärmenetze angebunden.

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©aryfahmed – stock.adobe.com

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