Forscherinnen und Forscher haben zwei Quartiere untersucht, die ihre Wärme mittels Wärmepumpen gewinnen. Die Unterschiede waren groß, die Ergebnisse lassen sich gerade deshalb auf viele künftige Planungs- und Bauvorhaben anwenden.

Auf dem Weg in einen klimafreundlichen Wärmesektor spielen Wärmepumpen eine wichtige Rolle. Sie ermöglichen es, Primärenergiebedarf und CO2-Emissionen im Wärmesektor deutlich zu reduzieren. Gerade dann, wenn der Strom aus erneuerbaren Energiequellen wie Windenergie- oder Photovoltaikanlagen stammt. Das in diesem Jahr abgeschlossene Forschungsprojekt „Wind-Solar-Wärmepumpen-Quartier – Erneuerbar betriebene Wärmepumpen zur Minimierung des Primärenergiebedarfs“, kurz WPuQ, hat einige Fragen beantwortet, die beim Einsatz von Wärmepumpen aufkommen können: Zu welchem Anteil lässt sich Strom aus lokalen erneuerbaren Energieanlagen überhaupt nutzen? Wie müssen die elektrischen Verteilnetze aussehen? Gibt es geeignete Betriebsstrategien?

Dazu hat das WPuQ-Team Messungen in zwei Quartieren vorgenommen, die bei der Wärmeversorgung auf Wärmempumpen setzen, und zusätzlich Simulationsstudien durchgeführt. Unter der Koordination des Instituts für Solarenergieforschung Hameln (kurz ISFH) waren seit dem Sommer 2017 Forscherinnen und Forscher des Instituts für Elektrische Energietechnik und Energiesysteme der TU Clausthal, von Stiebel Eltron und dem Energieservice Westfalen Weser am Projekt beteiligt. 

Beim ersten Quartier handelt es sich um die Solarsiedlung am Ohrberg bei Hameln in Niedersachsen, die aus 70 Niedrigenergie-Einfamilienhäusern besteht, die etwa 20 Jahre alt sind. Alle Gebäude sind mit Solarthermieanlage, Trinkwarmwasserspeicher und einer Wasser-Wasser-Wärmepumpe, die an ein kaltes Nahwärmenetz angeschlossen ist, ausgestattet. Das kalte Nahwärmenetz ist eine Besonderheit in diesem Quartier: Es stellt das gesamte Jahr über eine relativ konstante Temperatur von mindestens 10 °C für die Wärmepumpen als Quelle zur Verfügung.

Gebäude der Effizienzhaus-Plus-Siedlung Hügelshart
© Stiebel Eltron
Gebäude der Effizienzhaus-Plus-Siedlung Hügelshart

Das zweite Quartier ist die 2016 erbaute Effizienzhaus-Plus-Siedlung Hügelshart bei Friedberg in Bayern. Gegenüber der Siedlung am Ohrberg dient hier als Quelle kein zentrales Wärmenetz, sondern die Umgebungsluft. Auch die Gebäudetechnik unterscheidet sich weitgehend zur Ohrbergsiedlung: Jedes der 13 Gebäude ist mit einer Luft-Wärmepumpe, einem Heizungs- sowie Trinkwarmwasserspeicher ausgestattet. Zusätzlich verfügt jedes Gebäude über eine Photovoltaik-Anlage mit Batteriespeicher. Ein Energiemanagementsystem sorgt dafür, dass die thermischen und elektrischen Speicher optimal genutzt werden, um den lokal erzeugten Strom der Photovoltaik-Anlage möglichst im eigenen Haus zu verwenden.

Enormes Einsparpotenzial für Primärenergie

Mit einem zeitlich hochaufgelösten Monitoring in den realen Wärmepumpen-Quartieren wollten die Beteiligten möglichst viele Informationen sammeln. Die Messung der Haushalts- und Wärmepumpenlastgänge einerseits und der Erzeugungsleistungen von lokalen Windenergie- und Photovoltaik-Anlagen andererseits ermöglichte, Energiebedarf und -angebot im zeitlichen Verlauf zu erkennen. Wenig überraschend: Die Wärmepumpen im modernen Quartier arbeiteten effizienter, nämlich mit einer mittleren Jahresarbeitszahl von 3,3. Diese Zahl beschreibt das Verhältnis zwischen der von der Wärmepumpe erzeugten Heizwärme und dem dafür eingesetzten Strom. Im Quartier am Ohrberg lag diese Zahl im Durchschnitt des gesamten Quartiers mit 2,27 weit hinter den Erwartungen. Dafür war allerdings nicht nur das Alter der Anlagen verantwortlich, sondern auch technische Defekte und Betriebsfehler.

Durch die im Monitoring gewonnenen Messdaten konnten die Forschenden ein Simulationsmodell entwickeln, das zahlreiche Elemente des Quartiers abbildet: das thermische Verhalten der Gebäude, die Gebäudetechnik (Wärmepumpen, thermische und elektrische Speicher), Photovoltaik-, Solarthermie-, Windenergie-Anlagen, E-Mobilität sowie das elektrische Verteilnetz. Damit konnten Betriebsstrategien entwickelt werden, dank derer die Wärmepumpen lokal erzeugten Strom aus Windenergie- und Photovoltaikanlagen besser nutzen können. So lassen sich Versorgungskonzepte und die Wirksamkeit von Betriebsstrategien für Wärmepumpen besser bewerten und für Planungen von zukünftigen Quartieren verwenden. „Diese Konzepte bieten sich besonders für kleinere Energieversorger und Stadtwerke an, die Wohnquartiere mit Energie und Wärme versorgen möchten“, erklärt Tobias Ohrdes, Projektleiter vom Institut für Solarenergieforschung. Derzeit gebe es aber noch rechtliche Hürden, die einer direkten Nutzung des Windstroms entgegenstehen.

Primärenergieeinsparung durch Umsetzung verschiedener Maßnahmen: 1. Einsatz von WP anstatt Gas-Heizungen (Szenario 0). 2. Einsatz von 4,8 kW PV (1) bzw. 1,4 kW Wind und 2,1 kW PV (2) pro Gebäude. 3. Einsatz eines Energiemanagements auf Gebäudeebene und optimierter Anlagentechnik bei Verwendung von PV (3) bzw. Wind und PV (4). 4. Einsatz eines 6,3 kWh Batteriespeichers in Kombination mit PV (5) bzw. Wind und 2,1 kW PV (6). Einsatz eines quartiersweit koordinierten Energiemanagements in Kombination mit PV (7) bzw. Wind und PV (8). Der durchschnittliche Haushaltsstromverbrauch pro Gebäude beträgt 2813 kWh pro Jahr, der Wärmepumpenstrombedarf 1863 kWh pro Jahr.
© ISFH
Primärenergieeinsparung durch Umsetzung verschiedener Maßnahmen: 1. Einsatz von WP anstatt Gas-Heizungen (Szenario 0). 2. Einsatz von 4,8 kW PV (1) bzw. 1,4 kW Wind und 2,1 kW PV (2) pro Gebäude. 3. Einsatz eines Energiemanagements auf Gebäudeebene und optimierter Anlagentechnik bei Verwendung von PV (3) bzw. Wind und PV (4). 4. Einsatz eines 6,3 kWh Batteriespeichers in Kombination mit PV (5) bzw. Wind und 2,1 kW PV (6). Einsatz eines quartiersweit koordinierten Energiemanagements in Kombination mit PV (7) bzw. Wind und PV (8). Der durchschnittliche Haushaltsstromverbrauch pro Gebäude beträgt 2813 kWh pro Jahr, der Wärmepumpenstrombedarf 1863 kWh pro Jahr.

Ein Beispiel: Mit dem Simulationsmodell konnte das Forschungsteam verschiedene Szenarien bewerten, die den Einsatz von Primärenergie senken sollten. Grundsätzlich zeigte sich, dass Wärmepumpen mit Flächenheizungen wie Fußbodenheizungen im Vergleich zu handelsüblichen Gas-Brennwertkesseln bereits 50 Prozent Energie einsparen können . Die Einsparung ist deshalb so hoch, weil Wärmepumpen den wesentlichen Energieanteil zur Wärmeerzeugung aus der Umwelt, wie der Umgebungsluft oder dem Erdreich, entnehmen. Wenn der eingesetzte Strom aus erneuerbaren Energiequellen stammt, lässt sich der Primärenergiebedarf noch weiter senken.

Lokaler Strom aus Photovoltaik- und Windenergieanlagen ergänzt sich im Jahresverlauf besonders gut, sodass die Einsparung auf 80 Prozent ansteigt, wenn die Wärmepumpe mit Strom aus PV- oder Windenergieanlagen angetrieben wird. Hier hängt das Verhältnis von Wind- zu PV-Strom auch vom Gebäudestandard ab. Je höher der Heizenergiebedarf, desto höher muss der Anteil an Windenergieanlagen sein, da diese gerade im Winter, wenn der Heizbedarf hoch ist, mehr Energie liefern.

Energiemanagementsysteme können in Kombination mit thermischen und elektrischen Speichern mehr als 90 Prozent Primärenergie einsparen, verglichen mit klassischen Gasheizungen. „Für den einzelnen Haushalt bedeutet dies, dass er sich zu einem Großteil unabhängig von den Energiebezugskosten machen kann, wenn er lokal selbst erzeugten Strom verwendet“, so Ohrdes. "Dies ist derzeit nur mit PV-Anlagen möglich, da Windenergieanlagen in anderen Netzebenen einspeisen und entsprechende Steuern und Abgaben anfallen." Somit könne ein durchschnittlicher Haushalt bei Verwendung einer Wärmepumpe, einer PV-Anlage und eines Batteriespeichers mit Energiemanagementsystem etwa 60 Prozent des Energieverbrauchs aus der eigenen PV-Anlage decken.

Bei der Umsetzung von Wärmepumpen-Quartieren mit hohem Anteil erneuerbarer Energieerzeugungsanlagen ergeben sich besondere Anforderungen an die elektrischen Verteilnetze. So hängen die Lastprofile der Wärmepumpen stark von der Regelstrategie ab: Wärmebedarfsgeführte Wärmepumpen brauchen häufig frühmorgens überdurchschnittlich viel Strom, wohingegen eigenverbrauchsgeführte Wärmepumpen, die sich etwa an der Stromproduktion einer Photovoltaik-Anlage orientieren, entsprechend vermehrt mittags in Betrieb gehen. In Wind-Solar-Wärmepumpenquartieren stellen Wärmepumpen jedoch nicht die Höchstbelastung im elektrischen Verteilnetz dar, sondern Photovoltaik-Anlagen, die eine höhere Gleichzeitigkeit aufweisen. Vereinfacht gesagt: Die gleichzeitige Höchst-Stromproduktion der Solaranlagen belastet das Verteilnetz stärker, als der gleichzeitige Höchst-Strombedarf aller Wärmepumpen.  Bei üblicher Dimensionierung der PV-Anlagen und Wärmepumpen kam es im betrachteten Verteilnetz  aber zu keinen kritischen Netzzuständen.

Leitfaden fasst wichtigste Ergebnisse zusammen

Das Projekt liefert durch die anwendungsnahe Betrachtung von zwei realen Wärmepumpenquartieren wichtige Erkenntnisse darüber, wie sich Quartiere mit hohem Anteil erneuerbarer Energie optimal planen und betreiben lassen. Die wichtigsten Ergebnisse wurden im Leitfaden „Wind-Solar-Wärmepumpenquartiere - Praxiserfahrungen und Planungshilfen für den erneuerbaren Betrieb von Wärmepumpenquartieren mit minimiertem Primärenergiebedarf“ zusammengefasst, der frei verfügbar ist. Die Praxiserfahrungen zeigen dabei, welche Hürden oder Probleme beim Betrieb von Wärmepumpenquartieren auftreten können und wo es Optimierungspotenzial gibt. Beispielhafte Szenarien für die erneuerbare Energieversorgung von Wärmepumpen-Quartieren illustrieren die möglichen Primärenergieeinsparungen einzelner Maßnahmen. Der Leitfaden hilft Planern und Betreibern gleichermaßen dabei, den Primärenergiebedarf bei der Quartiersenergieversorgung zu reduzieren.

Die erhobenen Messdaten der Haushalts- und Wärmepumpen-Lasten, Erneuerbaren-Erzeugung und den zugehörigen Wetterdaten bieten in ihrer zeitlichen Auflösung im Quartierskontext einen einmaligen Datensatz, der für verschiedene weitere Zwecke genutzt werden kann. Die Messdaten aus dem Quartier Ohrberg werden in verschiedenen Aggregationsstufen frei verfügbar gemacht, sodass diese für weitere Forschung und Entwicklung verwendet werden können. (pj)

Zuletzt aktualisiert am: 09.02.2022

EnEff:Stadt Verbundvorhaben: Wind-Solar-Wärmepumpen-Quartier

För­der­kenn­zei­chen: 03ET1444A-D

Projektlaufzeit
15.08.2017 28.02.2021 Heute ab­ge­schlos­sen

The­men

Wärme, Wärmepumpen, Quartiere

För­der­sum­me: 1.239.090

Kontakt

Koordination
Institut für Solarenergieforschung GmbH
https://isfh.de/

Tel.: +49(0)5151 999-100

Projektpartner
Stiebel Eltron GmbH & Co. KG
https://www.stiebel-eltron.de/de/home.html

Tel.: +49 5531 702 110 

Projektpartner
Energieservice Westfalen Weser GmbH
https://www.energieservice-ww.com/

Tel.: +49 5251 202 0199

Projektpartner
Technische Universität Clausthal
https://www.iee.tu-clausthal.de

Tel.: +49 5323/72-2299

©bluejayphoto/iStock/thinkstock

Quartier und Stadt

Neben der energetischen Optimierung einzelner Gebäude birgt die ganzheitliche Betrachtung städtischer Siedlungsräume ein großes Potenzial zur Steigerung der Energieeffizienz. Städte können dabei wichtige Rahmenbedingungen für die Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen vorgeben.

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