Warmes Grubenwasser kann komplette Gewerbegebiete und auch Wohnquartiere mit Wärme versorgen. Das Forschungsprojekt GW-Ruhr zeigt für unterschiedliche Standorte im Ruhrgebiet auf, wie das möglich wäre.

Dort, wo früher Kohle unter Tage abgebaut wurde, befinden sich heute viele Hohlräume. An mehreren Standorten pumpt beispielsweise die RAG das Grubenwasser ab, damit es sich nicht mit dem Grundwasser mischt. Auch in der Vergangenheit musste dies zum Schutze der Bergleute durchgeführt werden. Professor Hermann-Josef Wagner von der Ruhr-Universität Bochum sieht darin eine große Chance: „Mit diesem warmen Wasser, das ohnehin hochgepumpt wird, können wir Gebäude mit Wärme versorgen – und zwar klimafreundlich.“

Eine Energieversorgung mit Grubenwasser? Dass das möglich ist, zeigt Wagner mit dem Projekt „Grubenwasser-Ruhr“. „Wir haben uns zunächst angeschaut, wo die RAG überhaupt langfristig Grubenwasser abpumpt“, erklärt er. In der Vergangenheit waren es 13 sogenannten Wasserhaltungsstandorten, an denen die ehemalige Ruhrkohle AG ihrer Ewigkeitsaufgabe nachkommen und eine Vermischung mit dem Grundwasser verhindern muss. Etwa 70 Millionen Kubikmeter Wasser werden dazu hochgepumpt und in Lippe, Ruhr und Rhein geleitet.

Standorte der Grubenwasserhaltung im Ruhrgebiet
© LEE
Standorte der Grubenwasserhaltung im Ruhrgebiet

Grubenwasser und Grundwasser bleiben getrennt

Langfristig sollen aber nur noch sechs Standorte im Ruhrgebiet Grubenwasser fördern. Und dort wiederum muss es eine Bebauung oder zumindest Pläne geben, die eine neue Wärmeversorgung notwendig machen. Drei Standorte haben Wagner und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Ende ausgemacht: Kamen-Bergkamen, Bochum und den Reservestandort Essen. Zusätzlich zu den sechs Grubenwasserhaltungsstandorten werden weitere Reservestandorte erhalten um das Grubenwasserhaltungskonzept der RAG AG abzusichern. Dass Bochum geeignet ist, war aber schon länger bekannt: Dort wird bereits die zentrale Feuerwehr mit Grubenwasser-Wärme versorgt; nun soll eine Erweiterung dieser Versorgung auf Quartiersebene erprobt werden.

Für alle Standorte gibt es Pläne zur Bebauung, in die das Grubenwasser eingebunden werden könnte. „Allerdings muss an allen Orten noch der Grundwasserspiegel steigen“, erklärt Wagner. Deshalb sei er um die teils gewöhnlichen, teils Corona-bedingten Verzögerungen dieser Projekte gar nicht traurig.

Denn das Grubenwasser darf sich zwar nicht mit dem sauberen Trinkwasser mischen, aber das passiert erst in einer Tiefe (Bergbaudeutsch: Teufe) von rund 300 Metern. Ob die RAG bei 600 oder 400 Metern pumpen sollte, ist deshalb noch Gegenstand einer offenen Diskussion, die Bergbauexperten im Ruhrgebiet derzeit führen.

„Betriebskosten unter denen von Gas“

Ist das Wasser dann an der Oberfläche angelangt, hat es eine Temperatur von 20 bis 30 Grad Celsius. „Das reicht für viele Gebäude in Gewerbegebieten aus, zum Beispiel Lager“, erklärt Wagner. Theoretisch könnte man noch weitaus mehr Gebäude beheizen: Die Mengen an Grubenwasser, die hochgepumpt werden müssen, könnten ganze Quartiere versorgen. Allerdings sind wegen der Temperaturen realistisch nur Gebäude in einem Umkreis von rund fünf Kilometern versorgbar. Am günstigsten dafür sind Niedertemperaturflächenheizungen, die im Altbau aber nicht verbreitet sind Kombiniert mit einer Wärmepumpe könnte das Wasser eine größere Heizleistung liefern.

Die Kosten für solche Fälle zu berechnen ist möglich und war auch Teil des Projektes „Grubenwasser-Ruhr“. „Wir sind noch über den Gaspreisen“, erklärt Professor Wagner, „aber die steigenden CO2-Kosten können das schnell ändern.“ Die Betriebskosten liegen dann unter denen von Gas. Problematisch sei eher, dass Investoren noch Berührungsängste mit solchen innovativen Wärmeversorgungsarten zeigen.

Die Sorge, dass Grubenwasser durch die Gebäude fließe, kann Wagner aber nehmen: ein Wärmetauscher sorgt dafür, dass es nur seine Wärme abgibt und danach in einen Fluss geleitet werden kann. Kleines Umweltplus: Je kälter das Grubenwasser, das in den Fluss fließt, umso geringer ist die ökologische Belastung.

Entstehung und Förderung von Grubenwasser (2016)
© Ruhr-Universität Bochum (LEE)
Entstehung und Förderung von Grubenwasser (2016)

Transformation vom „Kohlepott“ zur Klimametropole

Über 150 Jahre Industriegeschichte des Kohlezeitalters endeten, als 2018 die Zeche Prosper Haniel schloss. Zechengelände mit kilometerlangen Stollen untertage sowie Tagebaulöcher in ost- und westdeutschen Kohlerevieren und Kraftwerke im gesamten Bundesgebiet sind sichtbare Zeitzeugen. Die Transition dieser alten Infrastruktur kann ökologische und ökonomische Entwicklungen in ost- und westdeutschen Kohleregionen antreiben, wie GW-Ruhr exemplarisch zeigt.

An ausgewählten Standorten wurden in der ersten Projektphase konkrete Umsetzungskonzepte für eine nachhaltige Wärmeversorgung durch Grubenwasser entwickelt. So stellte sich etwa in Kamen die Frage, ob eine zentrale oder mehrere dezentrale Wärmepumpen das Wasser auf die notwendige Temperatur aufheizen sollten. Die dezentrale Lösung stellte sich aus ökologischer Sicht als günstiger heraus, denn so musste die Nahwärmeleitung nicht gedämmt sein und die Temperaturen konnten mit den Wärmepumpen individuell angepasst werden.

Im Anschluss daran sind die Umsetzung sowie das spätere Betriebsmonitoring geplant. Die Leitung und Koordination des Projekts erfolgt durch den Lehrstuhl Energiesysteme und Energiewirtschaft der Ruhr-Universität Bochum (EE). Das Unternehmen Eimer Projekt Consulting (EPC) verantwortet die strategische Kontaktanbahnung sowie den dauerhaften Einbezug der potenziellen Wärmeabnehmer mittels geeigneter Beteiligungsformate. Die RAG AG als Standorteigner wird vor allem die Umsetzungs- und Investitionsplanungen unterstützen, während die DMT GmbH & Co. KG zusammen mit dem EE für die technischen Planungsarbeiten zuständig ist.

Drei Standorte besonders geeignet

Ein wichtiger Bestandteil des Projektes war, die Wärmesenken zu untersuchen: Wo gibt es Bedarf und kann die Grubenwasserversorgung diesen decken? „Das ist bei Industriegebieten natürlich schwierig, weil man nicht weiß, wer in drei Jahren wo baut und einzieht“, erklärt Wagner. Eine chemische Anlage, die Temperaturen im hohen dreistelligen Bereich bräuchte, wäre im Gegensatz zur Lagerhalle ein schlechter Anwendungsfall.

Auch ein Anschluss an ein bestehendes Fernwärmenetz funktioniert nicht, wenn dieses historisch mit bis zu 100 Grad ausgelegt ist. So haben die Forscherinnen und Forscher zunächst geeignete Gebiete definiert und dann mit der Software TOP-Energy technische Wärmenutzungskonzepte erstellt, die als Basisszenario dienen können. Hier spielten neben der energetischen Ausbeute auch Wirtschaftlichkeit und ökologischer Nutzen eine Rolle. Die Untersuchungsergebnisse wurden abschließend in einem Umsetzungskonzept gebündelt, das Potenziale und Restriktionen der Grubenwassernutzung aufzeigt
Die Standortanalyse brachte die drei Standorte hervor: die Wasserstadt Aden, Bergkamen (Schacht 2, Haus Aden), der Gewerbepark Robert Müser, Bochum (Schacht Arnold) und Essen 51, Essen (Schacht Marie). Die Analyse hydrologischer und hydrochemischer Randbedingungen wurden für diese Standorte durchgeführt. Dazu wurden die Temperaturverläufe, die Hydrochemie des Grubenwassers sowie die langfristige Wärmepotenzialentwicklung an den Standorten ermittelt.

Um das energetische Potenzial des Grubenwassers zu nutzen, wird ihm die geothermische Wärme entzogen. Bei der Analyse der Standorte gilt es zwischen aktiven Wasserhaltungen und Schächten mit Zugang zur Tiefe zu unterscheiden. Aktive Wasserhaltungen sind die sechs Standorte, an denen die RAG dauerhaft Grubenwasser fördern wird. Diese bieten einen obertägigen Zugang zur Wärmequelle. Zur Erschließung der Wärme wird an das Wasserschloss ein obertägiger Wärmeübertrager angeschlossen, der individuell auf den Leistungsbedarf und den Grubenwasserchemismus ausgelegt wird. Da die Wassermengen viel Energie enthalten, ist kein großer Wärmetauscher nötig. Allerdings hängt dessen Beschaffenheit, etwa das Material, von der Wasserqualität ab.

Standorte mit Zugang zur Tiefe bieten einen untertägigen Zugang zum Grubenwasser. Ein Wärmeübertrager muss dann untertägig bis in das Niveau des Grubenwassers eingebracht werden. Über einen geschlossenen Kreislauf wird die Wärme aus der Grube an die Oberfläche gefördert.

Zur Wärmeübertragung wurden zwei Konzepte geprüft: links ein rückholbares Wärmesondesystem, rechts ein vor der Flutung fest installiertes Wärmeübertragerrohr. (Schematische Darstellung.)
© Ruhr-Universität Bochum (LEE)
Zur Wärmeübertragung wurden zwei Konzepte geprüft: links ein rückholbares Wärmesondesystem, rechts ein vor der Flutung fest installiertes Wärmeübertragerrohr. (Schematische Darstellung.)

Umsetzung in die Praxis

Das Ziel der ersten Projektphase war, Nutzungsmöglichkeiten dieses Wärmepotenzials aufzudecken und Praxisbeispiele aufzuzeigen, die als Multiplikator für weitere Projekte dienen. In den dreieinhalb Jahren der ersten Phase wurden Konzepte erarbeitet und entscheidungsreife Planungen an unterschiedlichen Standorten ausgearbeitet. Ausführlich beschrieben ist dies im Abschlussbericht, der nun erschienen ist.

Die zweite Projektphase ist auf vier Jahre ausgelegt. Während dieser Umsetzungsphase sollen die entwickelten Konzepte mithilfe von Investitionen unter Nutzung von investiven Fördermitteln realisiert werden. In dieser Zeit wird ein wissenschaftliches Monitoring geplant und in die Umsetzung integriert. In einer sich daran anschließenden dritten Phase folgt die Auswertung des Monitorings mit Evaluierung und Dokumentation für einen langfristigen Erfahrungstransfer.

Die im Projekt Grubenwasser Ruhr Phase I entwickelten Konzepte ermöglichen es, die theoretisch ausgewiesenen Potenziale in funktionsfähige und praxistaugliche Wärmeverbundsysteme zu überführen. Die großen Mengen Grubenwasser mit einem Temperaturniveau von 20–30°C eignen sich optimal für „kalte“ Wärmenetze (LowEx-Netze). Untersuchungen in der ersten Projektphase haben gezeigt, dass Grubenwasser an geeigneten Standorten ganze Stadtquartiere versorgen kann.

„Im Grunde ist Grubenwasser weltweit interessant“, erklärt Wagner. Die Bestände seien natürlich alle bereits versorgt, aber gerade bei Neubauten könnte sich die Nutzung auch in anderen (ehemaligen) Bergbaustaaten lohnen. Und darüber hinaus lässt sich die Technologie auch auf andere Grund- und Abwasserarten anwenden.(pj)

Zuletzt aktualisiert am:
12.07.2021

Mit Grubenwasser Neubaugebiete heizen

För­der­kenn­zei­chen: 03ET1375A-C

Projektlaufzeit
01.03.2016 31.08.2019 Heute ab­ge­schlos­sen

The­men

Dezentrale Energieerzeugung, Wärmenetze & Kältenetze, Wärme aus Erdreich, Grundwasser, Abwasser, Planung & Auslegung, Wirtschaftlichkeitsanalysen, Neubau von Siedlungen

För­der­sum­me: 1.013.116 €

Kontakt

Koordination
Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl Energiesysteme und Energiewirtschaft (LEE)

Webadresse: http://www.lee.ruhr-uni-bochum.de
E-Mail: lee@lee.ruhr-uni-bochum.de
Tel.: +49(0)234-32-26046

Potenzialanalyse
RAG Aktiengesellschaft
Webadresse: http://www.rag.de
E-Mail:
Tel.: +49(0)2323-15-0

Technische Analyse
DMT GmbH & Co. KG
Webadresse: http://www.dmt-group.com
E-Mail:
Tel.: +49(0)201-172-01

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