24.06.2022 | Aktualisiert am: 24.06.2022

Mit dem Ectogrid entsteht in Herne ein Energiesystem der 5. Generation. Das Kälte- und Wärmenetz fungiert wie eine thermische Batterie. Durch das Reallabor der Energiewende Transurban.NRW sollen solche Systeme künftig vielerorts einsetzbar werden.

Der Shamrockpark steht beispielhaft für die Kohlevergangenheit des Ruhrgebiets: Hier begründete der Ire William Thomas Mulvany die Schachtanlage Shamrock, die jährlich Millionen Tonnen Kohle förderte und damit ein wichtiger Wachstumsmotor für die Stadt Herne war. Nach ihrer Stilllegung bot sie der RAG (ehemals Ruhrkohle AG) eine Heimat, die ebenfalls über Jahrzehnte für Kohle und Bergbau im Ruhrgebiet stand.

Nun soll der Herner Shamrockpark ein Symbol für die Energiezukunft werden. Die alten Gebäude werden saniert, neue kommen hinzu. Restaurant, Hotel und Tagungszentrum sind geplant. Die innovative Energieversorgung dafür wird im Reallabor der Energiewende TransUrban.NRW entwickelt; und für deren Herzstück, die Technikzentrale, fand nun der Spatenstich statt. Der innovative Ansatz des lokalen Energiesystems basiert auf dem E.ON ectogrid™. Das Wärmenetz arbeitet mit zwei Temperaturleitern, einmal bei 12 und einmal bei 22 Grad Celsius. Die Wärme kommt hauptsächlich vom benachbarten Industriepark. Die Temperatur liegt dabei unterhalb von 30 Grad Celsius – aber das reicht schon, erklärt Projektpartner Jörg Paulus: „Wir schaffen damit eine Blaupause, die an vielen Orten umgesetzt werden kann. Solche Wärmequellen sind vielerorts noch ungenutzt.“

Paulus ist Geschäftsführer der eigens gegründeten Shamrock Energie GmbH, einem Zusammenschluss des Energieversorgers E.on und seiner Tochter Avacon, den Stadtwerken Herne und dem Geländebesitzer Fakt. Und er stellt sich einer großen Herausforderung. Denn im Shamrockpark muss das sogenannte kalte Nahwärmenetz auch Altbauten versorgen. „Neubauten, gut gedämmt und mit einer Flächenheizung sind kein großes Problem“, erklärt er. „Hier kann man die 22 Grad mit einer Wärmepumpe auf 35 Grad bringen und die Wohnung mit Wärme versorgen.“ Das braucht zwar Strom, dafür ist Abwärme fast kostenlos und bei niedrigen Temperaturen sind die Energieverluste gering. Bei Altbauten müssten die Temperaturen allerdings auf 55 Grad gehoben werden. Und selbst das ist weniger als bislang.

Gelingt es dennoch, die Altbauten mit Wärme zu versorgen, wäre es ein großer Schritt für die Wärmewende im Bestand. Auch deshalb fördert das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) Transurban.NRW als Reallabor der Energiewende. Denn weder bräuchte es Umbauten, die über Heizkörper und -anlage hinausgehen, noch Dämmmaßnahmen. Die Forschungsteams setzen etwa auf sogenannte Fan-Coils, also Gebläsekonvektoren, die mit vergleichsweise geringem Platzbedarf heizen oder kühlen können.

Kälte aus dem Ectogrid

Denn das von E.on entwickelte Ectogrid liefert mit 12 Grad auch Kälte, und das gleichzeitig zur Wärmeversorgung: Scheint in vollverglaste Südlagen-Passivhäuser die Aprilsonne, geben diese die Wärme an schattige Altbauten ab, die wiederum ihre Kälte zurückspielen. Auch Fernwärme, Solarenergie oder Geothermie könnten in das Netz eingebunden werden. Allerdings müssen die Abstimmung von Wärme und Kälte, der Strom- und Wärmeinsatz von außen und der Bedarf im Inneren aufeinander abgestimmt werden. Das Versorgungsnetz im Shamrockpark soll, auch dank Wärmetauscher und Blockheizkraftwerk, wie eine thermische Batterie funktionieren, in die Bewohner und Gewerbetreibende Energie einspeisen oder entnehmen.

Herzstück der smarten Steuerung und Standort von Wärme- und Kältespeichern wird die Technikzentrale. Diese soll Energie künftig passend auf über 100.000 Quadratmeter Wohn- und Gewerbefläche verteilen, Neubau und Bestand. Im Shamrockpark rechnen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit einem Wärmebedarf von etwa 8000 MWh p.a. und einem Kältebedarf von etwa 4000 bis 5000 MWh.  Solche Nahwärmenetze können künftig einen Beitrag dazu leisten, eine fossil geprägte Fernwärmeversorgung zu ersetzen, die sich in Teilen Deutschlands immer noch aus CO2-intensiven Großanlagen speist. Herne etwa verfügt noch über ein Steinkohlekraftwerk, das ins Fernwärmenetz einspeist.

Das Reallabor der Energiewende Transurban.NRW untersucht an vier verschiedenen Orten, wie Niedertemperatur-Energiesysteme neue Energiequellen (und –senken) erschließen können. Ein ausführliches Porträt finden Sie hier. (pj)

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