In Freiberg wird die Performance zweier als energieautark konzipierter Einfamilienhäuser wissenschaftlich untersucht. Den sehr geringen Heizwärmebedarf der Gebäude decken großzügig dimensionierte Solarkollektoren und Wärmespeicher, ergänzt durch einen holzbefeuerten, wassergekühlten Kaminofen. Eine Photovoltaik-Anlage sorgt in Verbindung mit einem Batteriespeicher für eine nahezu vollständig solare Stromversorgung.

Eine möglichst vollständige Unabhängigkeit vom öffentlichen Stromnetz und auch von fossilen Brennstoffen ist das erklärte Ziel für die beiden energieautarken Häuser. Das Gebäudekonzept basiert auf dem sogenannten Sonnenhaus, das über Solarthermie-Kollektoren und Wärmespeicher über 50 Prozent seines Wärmebedarfs solar deckt. Zusätzlich wird wie bei Plusenergiehäusern mit einer großen Photovoltaik-Anlage Solarstrom erzeugt. Im Unterschied zu diesen wird der augenblicklich nicht genutzte Solarstrom nicht ins öffentliche Stromnetz eingespeist, sondern in Batterien oder mit Elektromobilen gespeichert. Dieses Konzept kann an sonnenreichen Tagen dazu beitragen, den in öffentlichen Stromnetzen durch hohe Solarstrom-Kapazitäten entstehenden „Stress“ zu vermeiden.

Zwei solcher Gebäude wurden in Freiberg (Sachsen) im Oktober 2013 fertiggestellt und bezogen – das eine Gebäude wird von einer fünfköpfigen Familie bewohnt, das andere wird als Büro genutzt.

Die fast baugleichen Häuser unterscheiden sich hinsichtlich ihres Nutzungsprofils als Wohn- und Bürogebäude. Seit 2014 werden im Zuge der wissenschaftlichen Evaluierung umfangreiche Messdaten zur Wärme- und Stromversorgung sowie zu den Raum- und Umgebungsbedingungen erfasst und unter Berücksichtigung weiterer Daten wie beispielsweise Solarstrahlung und Wetter ausgewertet. Damit sollen eine detaillierte Gebäudeenergiebilanz ermittelt und gegebenenfalls notwendige Optimierungsmaßnahmen in Gebäudekonzept, Gebäudetechnik oder Betriebsführung identifiziert werden.

Hierfür wurde in beiden Gebäuden umfangreiche Messtechnik installiert. Zur Bilanzierung der Wärmeversorgung sind zahlreiche Wärmemengenzähler (Schwingstrahlprinzip) sowie Feuchte- und Temperatursensoren verbaut. Zusätzlich angebrachte Widerstandsthermometer (PT100) ermöglichen eine detaillierte Auswertung der Wärmeströme. Für die Strombilanzierung des Inselnetzes sind zahlreiche Elektroenergiezähler vorhanden, welche zeitlich hoch aufgelöst den Strombedarf erfassen – teilweise von einzelnen Endverbrauchern. Dadurch ist eine genaue Erfassung nach Anlagen- und Verbrauchsgruppen und eine Einschätzung der Nutzereinflüsse möglich.

Weiterhin sollte auch der Effekt der Elektromobilität auf die Energiebilanz, auf die Erhöhung der Eigenverbrauchsquote und für eine Entlastung des öffentlichen Stromnetzes untersucht werden.

Gebäudekonzept

Die Gebäude basieren auf dem Bau- und Heizkonzept des Sonnenhaus-Instituts e.V. mit einer Hausausrichtung und großen Fensterflächen nach Süden. Sie sind in Massivbauweise errichtet, wobei die Hauswände aus monolithischen Ziegeln mit Innen- und Außenputz, jedoch ohne weitere außen angebrachte Dämmung bestehen. Zur Wärmeübergabe an die Räume dienen thermoaktive Bauteilsysteme (TABS). Diese können im Sommer optional über eine Erdwärmesonde auch zu Kühlzwecken eingesetzt werden, um ein behagliches Raumklima zu gewährleisten. Dabei wird das Erdreich als Wärmesenke genutzt.

Weitere Abbildungen

Energiekonzept

Die Gebäude haben eine Solarthermie-Anlage (46 m²) mit einem im Haus installierten Langzeitwärmespeicher (9,12 m³). Die Anlage wird mit einem wassergekühlten Stückholzofen als Zusatzheizsystem kombiniert. Damit soll ein solarer Deckungsgrad von mindestens 65 Prozent und ein jährlicher Primärenergiebedarf von höchstens 7 kWh/m² erreicht werden, was den gesamten Primärenergiebedarf von typischen Passivhäusern um etwa 70 Prozent unterschreitet.

Die Stromversorgung wird über eine Photovoltaik-Anlage (8,4 kWp) und einen Batteriespeicher (Blei-Gel-Akku, 58 kWh) gewährleistet. Der gesamte Hausenergie-Strombedarf beträgt für beide Nutzungsarten jährlich etwa 2.000 kWh (ohne Elektromobilität). Zusätzlich zu dem dargestellten Energieversorgungskonzept wird seit Oktober 2014 der Einfluss einer Elektromobilnutzung auf das elektrische Inselnetz untersucht. Das Gebäude ist zwar grundsätzlich unabhängig vom öffentlichen Stromnetz, ist jedoch an dieses angeschlossen, um bei längeren sonnenarmen Perioden die Stromversorgung zu gewährleisten.

Performance und Optimierung

Die Datenauswertung zeigt über den Verlauf von zwei Jahren sehr hohe solare Deckungsgrade. Bei der Stromversorgung betrug diese für beide Nutzungsprofile etwa 92% (2014) und 97-98% (2015), womit die Zielstellung der Unabhängigkeit vom öffentlichen Stromnetz nicht vollständig erreicht wurde. Bei der Wärmeversorgung betrugen der solare Anteil an der Wärmeversorgung etwa 71% (2014) und 72-73% (2015). Damit wurde die Zielstellung von mehr als 65% sogar deutlich übertroffen.

Die Außentemperaturen lagen in den für die Energieversorgung kritischen Wintermonaten bis auf einen Monat überwiegend oberhalb des langjährigen Mittelwerts des Deutschen Wetterdienstes für den nahegelegenen Standort Chemnitz. Im Gegensatz dazu lag die kumulierte Anzahl an Sonnenstunden in beiden Jahren unter dem langjährigen Mittel. Ferner wurde im Jahr 2014 der Langzeitmittelwert der einfallenden Strahlung in den Wintermonaten deutlich unterschritten, weshalb vermehrt zusätzliche Wärme über den Kaminofen bereitgestellt werden musste. Auch die 100-prozentige Stromautarkie wurde aus diesem Grund knapp verfehlt. Die Ursachen sind in einer sehr geringen solaren Einstrahlung in den Wintermonaten 2014/2015 zu sehen, wo die für die Planung verwendeten Langzeitmittelwerte für die solare Einstrahlung nicht erreicht wurden. Der geplante Gesamtstrombedarf von 2.000 kWh/a konnte mit einem Stromverbrauch von maximal 2.144 kWh/a in etwa erreicht werden. Es zeigte sich weiterhin, dass mit zusätzlichen Verbrauchern wie beispielsweise einem Elektromobil von Frühjahr bis Herbst höhere Eigenverbrauchsquoten erzielt werden. Die Unterschiede im Nutzerprofil von Wohn- und Büronutzung sind vorhanden, beeinflussen die gesamte Energiebilanz jedoch nur wenig.

Infolge des geringen Gesamtstromverbrauchs von ca. 2.100 kWh ist von Frühjahr bis Herbst zusätzlich der Einsatz eines Elektromobils denkbar, ohne die Autarkie zu gefährden. Seit Oktober 2014 wird dies mit einem Fahrzeug vom Typ iMieV getestet. Erste Untersuchungen zeigen, dass hierdurch die Eigenverbrauchsquote im Jahr 2015 um etwa 36% gesteigert werden konnte. Zudem reduzieren sich die Kosten für Mobilität in einer Langfristbetrachtung. Zur weiteren Erhöhung des Eigenverbrauchs werden derzeit eine intelligente Ladestrategie sowie die Speicherung und Nutzung von Netzüberschüssen untersucht.

In beiden Gebäuden wurde für den Sommer eine regenerative Kühlung über eine Geothermie-Sonde integriert. Die Regelungsparameter werden kontinuierlich weiterentwickelt und mit realen Messdaten abgeglichen.

Das Autarkiekonzept soll auf Mehrfamilienhäuser übertragen werden. Hierbei werden die Projektpartner mit dem Sonnenhaus Institut e.V. zusammenarbeiten.

Wirtschaftlichkeit

Eine Wirtschaftlichkeitsanalyse zeigt, dass sich die Mehrkosten des Autarkiepaketes des Energieautarken Hauses nach ca. 24,7 a (statisch) bzw. 34,1 a (dynamisch) amortisieren sollte. Die Daten sind als exemplarisch zu betrachten, denn sie sind von den gegeben Rahmenbedingungen wie Energiepreise (für fossile Energieträger und Strom) und Standort (Einstrahlung und Heizwärmebedarf) abhängig.

Für die Wirtschaftlichkeitsanalyse wurde die dynamische Amortisationsrechnung verwendet und hierbei angenommen: Ein Kalkulationszinssatz von 4,36%, Betrachtungszeitraum 20 Jahre, Energiepreise 2014 (Strom 29,14 Ct/kWh, Gas 6,81 Ct/kWh), baugleiches EFH mit Gasbrennwerttechnik als Referenzszenario, Energiepreissteigerung von 5% p.a.

Das Gebäudekonzept wurde von dem Fertigbau-Anbieter HELMA Eigenheimbau AG mitentwickelt und wird inzwischen schlüsselfertig als „Energieautarkes Haus“ vermarktet.

Zuletzt aktualisiert am:
09.03.2022

Einfamilienhäuser mit regenerativer Strom- und Wärmeversorgung

För­der­kenn­zei­chen: 0325995A

Projektlaufzeit
01.08.2012 31.01.2018 Heute ab­ge­schlos­sen

The­men

Gebäude, Energieversorgung

För­der­sum­me: 636.773,00 €

Kontakt

Koordination
TU Bergakademie Freiberg, Institut für Wärmetechnik und Thermodynamik (IWTT)
http://tu-freiberg.de/fakult4/iwtt/ttd
Tel.: +49(0)3731-39-3185

Downloads zum Projekt

©struvictory - stock.adobe.com

Energieversorgung in Gebäuden und Quartieren

Im Fokus der Forschung zu energieoptimierten Gebäuden und Quartieren stehen effiziente und zugleich wirtschaftliche Versorgungsstrukturen. Systemische Ansätze statt Einzellösungen sind gefragt, um Sektorkopplung und Digitalisierung voranzutreiben und den Primärenergiebedarf im gesamten System durch die Integration erneuerbarer Energien deutlich zu senken.

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