05.01.23 | Aktualisiert am: 05.01.2023

Um die Wärmeversorgung im urbanen Raum künftig klimaneutral gestalten zu können, müssen verschiedene Lösungen zusammenkommen. Im Video-Interview spricht Dr. Dietrich Schmidt vom Fraunhofer IEE über Schlüsseltechnologien, internationale Vorbilder und den Beitrag der Forschung.

Städte sind hoch verdichtete Räume: Viele Menschen wohnen, arbeiten und verbringen ihre Freizeit auf kleinem Raum. Das bedeutet auch, dass der Platz für individuelle Wärmelösungen wie etwa Solarthermie-Anlagen oder große Luftwärmepumpen nicht an jedem Gebäude zur Verfügung steht. Allerdings bietet eine dichtere Bebauung auch viele Möglichkeiten von der Wärmeversorgung über Wärmenetze bis hin zur Nutzung von Abwärme.

Dr. Dietrich Schmidt vom Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE forscht daran, diese Möglichkeiten zu nutzen. Dabei hat er unter anderem an internationalen Forschungsprojekten mitgearbeitet und Erfahrungen aus anderen Ländern gesammelt. Im Interview am Rande der Jahrestagung des ForschungsVerbunds Erneuerbare Energien in Berlin spricht er über internationale Vorbilder, Schlüsseltechnologien für die Wärmewende und den Beitrag, den die Forschung leistet, um diese weiterzuentwickeln.

Dr. Dietrich Schmidt: Die zentrale Herausforderung für Städte im Bereich der Wärmewende sind natürlich auch vielfältig. Wir haben in Städten natürlich im Wesentlichen hoch verdichtete Räume. Wir haben relativ viele Leute, die sozusagen auf einem kleinen Raum leben. Wir haben Energieinfrastruktur, wir haben also auch viele Möglichkeiten, wir haben auch Abwärmequellen. Wenn es natürlich von einem heutigen System, was in der Wärmeversorgung weitestgehend auf fossile Brennstoffe basiert, hin zu einem dekarbonisierten System geht, denke ich, sollte man noch mal über die drei Säulen der Umsetzung der Wärmewende nachdenken. Also wir müssen das Thema Sanierung, also Energieeffizienz nach vorne bringen. Wie sanieren wir mehr, wie können wir dort mehr lösen? Und dann die zwei Schlüsseltechnologie, für die Umsetzung der Wärmewende, das ist einmal die Wärmepumpe, die Integration von Wärmepumpen. Und auf der anderen Seite die Integration von Wärmenetzen und der Ausbau der leitungsgebundenen Wärmeversorgung.

Sie haben auch an internationalen Forschungsprojekten mitgearbeitet: Was können wir von anderen Ländern lernen?

Schmidt: Ich glaube, dass wir von anderen Ländern relativ viel lernen können, und dass es immer gut ist, einen internationalen Austausch zu haben, um von den Erfahrungen aus anderen Ländern, anderen Kulturkreisen zu lernen. Wenn wir nach Norden schauen, zum Beispiel in Dänemark die gesamte Fernwärme-Entwicklung dort und auch die gesetzlichen Regelungen, wo es darum ging, Gaskessel oder gerade Ölkessel im Wesentlichen erst mal zu verbieten. Oder auch die Wärmepumpen Integration zum Beispiel in Schweden und die anderen Energiesysteme auch in Norwegen kann man sich da angucken. Länder, die uns eigentlich vorgemacht haben, wie man das anders lösen kann, nicht nur auf der technischen Ebene, sondern auch gerade auf der organisatorischen Ebene. Da entstehen jetzt in Dänemark sehr viele Wärmenetze, ich sag mal, als Kooperative designt. Oder auch die Geschäftsmodelle laufen dort anders als bei uns, wo das natürlich eher alles in Unternehmenshand ist. Ich denke, da kann man sich sehr viel abgucken und kann von Erfahrungen anderer lernen.

Was funktioniert zum Beispiel in Dänemark besonders gut?

Schmidt: Ja, wie gesagt Dänemark gerade die Fernwärme-Systeme, die es da gibt, die lokalen Fernwärme-Systeme, die eben primär als Kooperative also genossenschaftlich organisiert sind, wo sich die Leute zusammentun und damit ein ganz anderes Vertrauensverhältnis zu der Fernwärme oder auch zu diesem gesamten Thema Wärmeversorgung entsteht. Weil natürlich die Netze gehören den Leuten vor Ort und es ist damit eine ganz andere Verbundenheit. In Deutschland, erlebe ich zumindest immer so, dass es natürlich einen Versorger gibt, ein Unternehmen, der eine Dienstleistung zur Verfügung stellt. Das ist etwas Anderes, als wenn man sagt, wir machen unsere Wärmeversorgung. Das gibt es ja in Deutschland auch. Man kann sich die Bioenergie Dörfer angucken, wo man auch etwas Ähnliches hat oder wie Energiegenossenschaften, die es ja auch in Deutschland gibt. Aber ich denke, da gibt es viele schöne Beispiele, sowohl auf der technischen Ebene als auch gerade auf der organisatorischen Ebene.

Zurück nach Deutschland: Gibt es hier Unterschiede zwischen Stadt und Land bei der der Umsetzung der Wärmewende?

Schmidt: In vielen Betrachtungen zumindest bei uns im Haus ist das eher, dass man sagt, ein Stadtquartier kann genauso gut ein Dorf sein oder ein Dorf ein Stadtquartier. Wir haben natürlich ähnliche Größenordnungen dort, wenn es, sage ich mal, ein Vorstadt-Quartier ist auch in eine ähnliche Kompaktheit von den Gebäuden. Ich glaube, man kann schon ähnliche Parameter heranziehen. Wobei auf dem Land gibt es häufig engeren Zusammenhalt in den Dörfern von den Leuten. Und so gibt es ja zum Beispiel auch, was ich vorhin erwähnt hatte, auch diese Initiativen der Bioenergie-Dörfer. Also, wo sich eben kleinräumig Dörfer zusammengetan haben, um vor Ort die Wärmeversorgung in die eigene Hand zu nehmen oder entsprechende Energiegenossenschaften. Ich glaube, in der Stadt ist das ein bisschen schwieriger zu organisieren. Hier wird es andere Lösungen geben, wie zum Beispiel auch Beteiligung über lokale Versorger.

Was ist die Aufgabe der Forschung bei der Umsetzung der Wärmewende?

Schmidt: Bei der Umsetzung der Wärmewende kann die anwendungsorientierte Forschung, denke ich, in verschiedensten Bereichen sehr viele Impulse setzen oder unterstützen. Zum einen natürlich die Technologieweiterentwicklung oder Technologieentwicklung. Also weiterhin zusammen mit Unternehmen, mit wissenschaftlichem Background und vielleicht auch ein bisschen in breiterer Ebene Technologien weiter vorantreiben, sie effizienter machen und vor allen Dingen auch die Zusammenarbeit der Technologien, wie Technologien miteinander integriert werden, noch weiter nach vorne bringen. Ein zweiter Aspekt ist sicherlich, dass viele Forschungsinstitute, gerade auch die Forschungsinstitute, die im FVEE zusammengeschlossen sind, natürlich auch im Bereich der Planung unterwegs sind, also Planungs-Tools und Horizonte auch für die Planer für die spätere Umsetzung mitentwickeln. Also wo muss es da hingehen? Wie kann ich denn solche Systeme, die doch mehr komplex sind, wie kann ich die simulatorisch vorher abbilden, wie kann ich dort Sicherheit schaffen für Planer, die vielleicht dann eher auf Standard-Tools setzen oder auch in die Umsetzung sozusagen besser gehen mit diesen Sachen. Der dritte Bereich ist, dass anwendungsorientierte Forschungsinstitute häufig auch System-Studien anbieten, die so ein bisschen den Weg zeigen. Wo muss es denn hin? Wo sind die großen Linien? Wie sieht unser Energiesystem 2050 aus? Das sind ja auch wichtige Fragen, an denen man sich orientieren kann, sowohl lokal, aber natürlich auch in größeren Zügen, auch von der Politik.

Was sind typische Beispiele für Forschung im Bereich der Technologieentwicklung?

Schmidt: An erster Stelle natürlich das Thema Wärmepumpe, Weiterentwicklung von Wärmepumpen. Wie kriegen wir zum Beispiel andere Kältemittel, also andere Arbeitsmittel für Wärmepumpen, die umweltfreundlich sind, also kein CO₂ oder kein Treibhausgas-Potenzial haben? Wie kriegen wir auch Wärmepumpen vielleicht mit höheren Temperaturhub hin, also die sogenannte Hochtemperatur-Wärmepumpe? Dass wir auch Wärmepumpen haben für Anwendungen, die sich nicht so weit im Temperaturniveau reduzieren lassen. Ich denke, das ist ein schönes Beispiel. Aber natürlich genauso auch die gesamte Systemintegration und Prozesssteuerung. Eine weitere Frage ist sicherlich das Thema Fernwärme. Ja, ist im Wesentlichen natürlich nur zwei Rohre, die in der Erde liegen, aber natürlich dort auch: Wie arbeiten die verschiedenen Systeme zusammen? Wie kriegen wir System-Temperaturen reduziert? Wie kriegen wir auch gerade Rücklauf-Temperaturen auf der Gebäudeseite weiter reduziert? Und natürlich auch gepaart mit modernen Methoden wie zum Beispiel auch der vorausschauenden Wartung, wo man dann auch über intelligente Methoden relativ früh in der Wartung der Anlagen einsteigen kann, um natürlich vieles auch günstiger zu machen.

Wie können Wärmepumpen effektiv in älteren Gebäuden zum Einsatz kommen?

Schmidt: Wir müssen sehen, dass wir die System-Temperaturen möglichst gering kriegen, das heißt geringe Vorlauf-Temperatur und vor allem Rücklauf-Temperaturen. Wenn die Heizlast zu hoch ist mit alten Heizkörpern, hat man dort Schwierigkeiten. Da gibt es aber unterschiedlichste Methoden. Natürlich kann man auch in Bestandsgebäuden Heizlasten dadurch reduzieren, indem man dämmt, neue Fenster einbaut oder ähnliches. In vielen Bestandsgebäuden sind diese Maßnahmen aber auch schon durchgeführt. Es gibt eigentlich wenig Bestandsgebäude wo nichts gemacht wurde, also keine oberste Geschossdecke oder untere Geschossdecke, keine Fenster erneuert wurden oder ähnliches, das heißt völlig unsanierte Gebäude aus den 50ern oder Zwanzigern hat man doch relativ selten. Das zeigen auch viele Praxisbeispiele. Da kann man eigentlich schon davon ausgehen, dass die Heizkörper eigentlich überdimensioniert sind und dass man auch mit geringeren Temperaturen dort vermutlich ganz gut hinkommt. Eine weitere Methode ist, um Gebäude mehr Wärmepumpen ready zu machen oder wenn das doch mal ein Problem gäbe, das Thema Heizkörper-Austausch oder zusätzliche Heizkörper zu integrieren natürlich auch möglich. Das heißt, wir können natürlich bei Plattenheizkörpern, die häufig aus zwei Platten bestehen, eine dritte dazu nehmen, also ein Heizkörper mit drei Platten nehmen, der einfach eine höhere Heizleistung hat, bei fast gleichen Raumbedarf. Also ich denke, da gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Man muss nicht immer gleich eine Fußbodenheizung einbauen. Natürlich sind Fußbodenheizung aufgrund des geringen Temperaturniveaus, was sie zum Betrieb brauchen, immer von Vorteil, gerade für Wärmepumpen. Es gibt aber sehr viele sehr individuelle Lösungen, auch für die Integration von Wärmepumpen in Bestandsgebäuden.

Im Interview: Fabian Hüsing vom Institut für Solarenergieforschung.
©Projektträger Jülich/Forschungszentrum Jülich GmbH

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